Eine Shostakovich-Gesamteinspielung, wie aus einem Guss
Wer vielleicht zufällig schon einmal Rezensionen von mir gelesen hat, mag festgestellt haben, dass ich fast ausschließlich CDs mit schwarzer US-Musik, von '60s Vocal-Groups und Jazz, sowie nur wenige - mir besonders interessant erscheinende - Film- und Konzert-DVD-Veröffentlichungen rezensiere, weil ich mich nur in diesen Bereichen einigermaßen auskenne.
Ich besitze zwar auch eine (inzwischen gar nicht mehr so kleine) Sammlung von Klassik-CDs, allerdings maße ich mir nicht an diese Einspielungen wirklich kompetent beurteilen zu können. Denn ich höre diese Musik - zwar ebenfalls - ausgesprochen gern und kann sehr schnell sagen, ob mir eine Einspielung gefällt oder nicht, mir fehlt allerdings der musik-theoretische Background, um diese Aufnahmen bis ins kleinste Detail rezensieren zu können.
Nachdem ich erst spät (so ab ca. 30 Jahre) Geschmack an klassischer Musik gefunden habe, hat sich nun im Laufe der Jahre aber doch so einiges aus diesem „Genre“ in meiner CD-Sammlung eingefunden.
Dass ich (meine Vorliebe sind ganz eindeutig Sinfonien für große Orchester), als Klassik-Laie, schließlich durch viele Vergleiche, immer wieder ergänzt durch das sog. „Bauchgefühl“, zu meinen Favoriten unter den Komponisten, Dirigenten, Orchestern (und der "idealen" Konstellation aus jeweiligem Dirigenten und "seinem" Orchester) sowie den besten Plattenfirmen (Klassik-Label) gefunden habe, ist dabei wohl die zwangsläufige Folge gewesen. Inzwischen kann ich die Unterschiede ganz gut heraushören.
Ob nun Beethovens Sinfonien (dirigiert von Klaiber, Fricsay, Wand, Giulini, Muti oder Zinman - diverse Orchester), Mozart (Levine, Bernstein, Muti, Barshai - div. Orch.), Brahms (Wand, Giulini, Klaiber - div. Orch.) oder Mendelssohn, Mahler, Bach, Respighi, Sibelius, Debussy, Verdi, Berlioz, Bizet, Vivaldi, Zemlinsky, Ravel, Schubert, Grieg, Elgar, Schumann, Saint-Saens, Rimsky-Korsakov, Roussel, R.Strauss, Liszt, Händel, Chopin oder einer der vielen, vielen anderen Komponisten ..., stets habe ich mehr instinktiv Dirigenten und Orchester (sehr gern höre ich auch Charles Dutoit und das Orchestre Symponique de Montreal oder auch Charles Mackerras & Orchestra of the Age of Enlightenment) ausgewählt, wenn ich mir eine bestimmte Sinfonie (gelegentlich auch Klavier-, Oboen-Konzerte oder die eine oder andere Ballettmusik, wie z.B. Prokofiev, Romeo and Juliet) zulegen wollte. Dabei hatte ich wohl mehr Glück, als Verstand, denn nur ganz selten kam es vor, dass mir eine Einspielung überhaupt nicht gefallen hat und ich die CD wieder verkaufte oder verschenkte, weil ich sie mir nie wieder anhören wollte.
Entschuldigen Sie bitte den langen „Vorspann“
Als ich dann schließlich einen - für meine laienhaften Bedürfnisse - recht befriedigenden Klassik-Grundstock besaß, interessierte mich auch die sog. „modernere Klassik“ (komponiert im 20. Jahrhundert) und ich wollte mir eine Gesamteinspielung von Dimitri Shostakovich zulegen (normalerweise kaufe ich lieber diverse Sinfonien des jeweiligen Komponisten, eingespielt von ganz verschiedenen Orchestern und Dirigenten und besitze daher nur wenige Gesamtaufnahmen einzelner Dirigenten, wie etwa die kompletten Schubert-Sinfonien von Riccardo Muti + Wiener Philharmoniker und zusätzlich von Neville Marriner + Academy of St Martin in the Fields, die mir in ihrer unterschiedlichen Interpretation beide sehr gut gefallen oder auch die, zu recht in Fachkreisen sehr geschätzte, Brahms-Gesamtaufnahme von Günter Wand + NDR-Sinfonieorchester).
Nie zuvor habe ich mich vor dem Kauf aber so schwer getan, denn diesmal war ich völlig unsicher, ob es die CD-Box von Bernard Haitink +++ Rudolf Barshai +++ Mariss Jansons +++ Kirill Kondrashin +++ Vladimir Ashkenazy sein soll und so habe ich versucht mich kundig zu machen.
Das Ergebnis:
Ich habe über Tage hinweg in etlichen Klassik-Foren mitgelesen und immer gab es Für und Wider, mal waren historische Aufnahmen zwar voller Energie und Kraft eingespielt, doch dann war die Klangqualität aufgrund des Alters der Einspielung doch nicht so gut oder der Dirigent hatte „das falsche“ Orchester zur Verfügung, mal wurde behauptet nur Russen könnten Shostakovich überhaupt erfassen und kongenial dirigieren und mal gab es einfach nur Streit zwischen den Anhängern des einen und des anderen Dirigenten.
Und dann stieß ich auf die hier besprochene CD-Box (12 CDs, eingespielt über einen längeren Zeitraum von Ashkenazy mit verschiedenen Orchestern, britischen, russischen, japanischen, als DDD-Aufnahmen) und nachdem ich einige Rezensionen in den besagten Klassik-Foren gelesen hatte, war mir plötzlich klar: „Das ist die Shostakovich-Gesamtaufnahme, mit der ich glücklich werden kann“, weil ich einerseits bereits einige CDs mit Vladimir Ashkenazy, als Dirigent und Pianist besitze (Rachmaninov Symphonie No. 2, Sibelius Symphony No. 5, Schönberg Verklärte Nacht, Debussy La Mer oder auch die Rachmaninov Klavierkonzerte), die mir allesamt ausnehmend gut gefallen und ich andererseits ein großer Fan des geradezu luxuriösen CD-Klanges bin, den das Decca-Label regelmäßig bietet.
Ich habe mir die Shostakovich-/Ashkenazy-12-CD Box dann schließlich angeschafft und inzwischen 6 von 12 CDs gehört; hier kommt meine laienhafte Einschätzung:
Dimitri Shostakovich
Die Musik von Shostakovich fesselt mich von der ersten bis zur letzten Note, wenn ich das mal so pathetisch ausdrücken darf. Seine Kompositionen sind hochinteressant, lebendig, voller Emotionen und immer wieder auch überraschend. Das dicke, kompetent verfasste, Booklet bietet dabei wertvolle Informationen über die Hintergründe zur Musik, über die persönliche Situation des Komponisten zum Zeitpunkt der Musikentstehung und zum geschichtlichen Zusammenhang der jeweiligen Kompositionen; Stichworte hier: Die Stalin-Herrschaft, der Zweite Weltkrieg, die wiederholten Aufführungsverbote u.v.a.
Vladimir Ashkenazy
Seine Shostakovich-Gesamtaufnahme höre ich mit größtem Genuss, er dirigiert die diversen Orchester voller Hingabe, ohne sich im vordergründigen Effekt (den die Musik auch bereit hält) zu verfangen. Obwohl in unterschiedlichen Jahren und - wie gesagt - mit verschiedenen Musikern eingespielt, klingt die Musik wie aus einem Guss und für mich nahezu perfekt umgesetzt. Ich bin wirklich begeistert.
Decca
Wieder einmal haben die britischen Toningenieure bewiesen, wie gut ihr Gehör ist und mit welcher Perfektion sie Digital-Aufnahmen auf CDs bannen können. Während mir Aufnahmen des Universal-Schwesterlabels ‚Deutsche Gramophon’ manchmal etwas „zu hell“ klingen, stimmt für mich beim, inzwischen ebenfalls zu Universal-Music gehörenden, Label ‚Decca’ klangtechnisch regelmäßig einfach alles, so auch hier: Bis ins letzte Detail hervorragend realisiert. Da wird das Musikhören zum Genuss.
Kaufempfehlung
Obwohl ich erst die Hälfte der 12 CDs gehört habe, wage ich zu behaupten, dass sich wohl niemand - der sich auf Shostakovich einlassen möchte - der brillanten Aufnahmen und dem grandiosen Klang dieser Gesamteinspielung widersetzen wird. Meine Bewertung lautet daher:
Fünf Sterne für Interpretation und Klangqualität
Nachtrag und Resümee:
Inzwischen habe ich alle 12 CDs gehört und mein abschließendes Urteil lautet ...
Begeisterung, auf der ganzen Linie!
Wenn es möglich wäre, würde ich für diese 12-CD Box nicht nur fünf Sterne, sondern mindestens sechs vergeben und zwar für den Dirigenten - die Orchester - die Interpretation - die Klangqualität der CDs.
Es ist ein Gesamtkunstwerk von allerhöchster Qualität.