Gegensätzlicher van Gilse
Das ist nun der vierte Streich in Sachen van Gilse und ein sehr gegensätzlicher obendrein. Denn die beiden Stücke auf dieser neuen cpo-CD könnten verschiedener nicht sein. Sie dokumentieren so die ganze Bandbreite des Schaffens dieses holländischen Komponisten. Da wären einmal die Variationen über ein St.Nikolausliedchen für kleines Orchester, eine Komposition, die 1910 entstanden ist und zu großer Popularität führte. Zu recht, will man meinen, denn die auch in Deutschland bestens bekannte Melodie wird nach allen Regeln romantischer Variationskunst durchexerziert. Wirklich schön - für Alt und Jung! Fast doppelt so umfangreich fällt hingegen das Klavierkonzert von 1930 aus, das van Gilse "Drei Tanzskizzen" nennt: Menuett, Hommage an Johann Strauss und Quasi Jazz sind die Satzbezeichnungen, die jedoch nicht die Tanzformen imitieren wollen, sondern eher Paraphrasen darstellen, höchst interessant, sehr abwechslungsreich, mit überraschenden und z.T. weit in die Zukunft weisenden, die Grenzen der Tonalität streifenden harmonischen Wendungen. Ein Spiegelbild der Tanzformen in neuer Zeit! Solist Oliver Triendl und der Gilse-erfahrene Dirigent Porcelijn treffen mit den Niederländischen Sinfonikern diesen Ton genau, virtuos und voller Spielfreude. Das ist einfach gute Musik, gut gespielt und gut aufgenommen! Wer dann noch das hervorragende Booklet aufmerksam liest, ist zudem von Gilses Lebensschicksal tief bewegt, das so sehr von Leid, Tod und Verfolgung geprägt war und tragisch endete.