Fantastisches musikalisches Vermächtnis der großen Billie Holiday
Billie Holiday ... lange Zeit wusste ich überhaupt nicht wer das war, weil ich zu jung war, um sie noch erlebt zu haben.
Dann lernte ich eine junge Frau kennen, die gern Billy Holiday hörte, aber ... Ich konnte deren Musik damals nicht ertragen, denn sie ging mir dermaßen unter die Haut, dass ich hätte schreien können. Doch Billie Holidays Stimme hatte sich bei mir bereits festgesetzt.
Nachem Diana Ross die Hauptrolle in 'Lady Sings The Blues' spielte, begann ich mich intensiver mit Billie Holiday zu befassen. Vorab: 'Lady Sings The Blues' war keine Biografie der Holiday, sondern eine Hollywood-Produktion, die sich nur lose an die Story von Billie anlehnte. Aber, die Ross meisterte diese Hauptrolle mit Bravour; ohne plump zu imitieren näherte sie sich dem Gesangsstil der Jazz-Sängerin kongenial an. Diana Ross war damals mit ihrer ersten Tochter schwanger, als sie sich monatelang auf die Filmrolle vorbereitete. Sie hörte fast nur noch Musik von Billie Holiday, sie besuchte eine Drogenklinik, um sich über die persönlichkeitsverändernden Auswirkungen von Drogensucht zu informieren und sie las alles, was ihr in die Finger kam, über diese einmalige Sängerin.
Als ich den Film „Lady Sings The Blues“ im Kino gesehen hatte, war das der Anlass, mich näher mit der Musik von Billie Holiday zu befassen. Und jetzt bekam ich Zugang zu ihrer Musik; ich verstand, dass nicht die Stimmgewalt die Faszination einer Sängerin ausmacht, sondern „Unverwechselbarkeit“ und „Aussagekraft“.
Auch Billie Holiday hatte eine ausgesprochen „kleine“ Stimme, die dringend aufs Mikrofon angewiesen war, aber wenn sie sang, dann konnten einem schon mal, ganz unkontrolliert, plötzlich die Tränen übers Gesicht laufen.
Und jetzt könnte ich natürlich die ganze tragische Lebensgeschichte der Billie Holiday niederschreiben und ihre genialen, unter die Haut gehenden, Interpretationen von Musikklassikern auf ihre schwere Kindheit, die üblen Erfahrungen mit Männern, den Drogenkonsum usw. zurückführen, das werde ich jedoch nicht machen, denn es würde auch eine Reduzierung der Sängerin auf die dunkle Seite ihres Lebens bedeuten, die ja nur ein Teil des Ganzen ist.
Billie Holiday ist für mich eine der größten Jazz-Sängerinnen aller Zeiten, keine Blues-Sängerin und keine (jedenfalls nicht vorrangig) „tragische Figur“. Was sie mit ihrer Stimme machte, war - so empfinde ich es - deren Verwandlung in ein „Instrument“
Im Gegensatz zu sog. „Puristen“ bevorzuge ich übrigens die Schallplatten-Aufnahmen der Holiday auf Columbia/CBS. Ihre Verve-Aufnahmen höre ich seltener, u.a. weil diese bereits eine „gebrochene“ Frau präsentieren.
Meine CD-Sammlung der Billie Holiday ist relativ groß und wenn ich mir die Aufnahmen anhöre, dann herrscht bei uns absolute Stille - Bessie Smith, Dinah Washington, Ethel Waters, Lena Horne, Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald, Shirley Horn, Nina Simone, Esther Phillips, Nancy Wilson u.v.a., ich liebe sie alle - aber Billie Holiday geht mir ganz besonders unter die Haut.
Zitat:
"(...) For her performance of "Strange Fruit" at the Café Society, she had waiters silence the crowd when the song began. During the song's long introduction, the lights dimmed and all movement had to cease. As Holiday began singing, only a small spotlight of light illuminated her face. On the final note, all lights in the club went out and when they came back on, Holiday was gone (...)", Quelle: Die englischsprachige Billie Holiday Wikipedia-Seite
1987 brachte die amerikanische Columbia/CBS die CD-Serie "Billie Holiday - Quintessential" heraus. Volume 1 erschien 1987 und die abschließende Volume 9 im Jahre 1990. Ich habe mir, teilweise unter abenteuerlichen Bedingungen, einige der CDs aus den USA schicken lassen, weil in Deutschland wohl nur wenig Interesse an der Veröffentlichung bestand und hatte dann schließlich die kompletten Billie Holiday Aufnahmen ihrer Columbia/CBS Zeit im Regal stehen.
Wer die Nase rümpft, dass solche alten (teilweise Schellack-) Aufnahmen überhaupt auf CD erscheinen, dem versichere ich, die sorgfältige Klangrestaurierung hat sich gelohnt und berücksichtigt man die technischen Möglichkeiten der Zeit von 1987 - 1990, dann bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Als ich die Serie gerade komplett hatte, veröffentliche CBS Deutschland alle Folgen auch als fantastische (auf 10 CDs erweiterte) Box
Zur CD-Box (10 CDs) "Lady Day Complete on Columbia"
Es handelt sich hierbei um die kompletten Aufnahmen der Sängerin, die - wie schon erwähnt - in den Jahren 1987 bis 1990 bei Columbia/CBS auf CDs erschienen. Remastering und Aufmachung der Box sind erstklassig und im Gesamtpaket ist die Anschaffung etwas günstiger, als der Einzelkauf von Volume 1 - 9, die dann auf etwa 200,-- Euro kommen würden.
Zwischen den Billie Holiday Fans herrscht so eine Art Glaubenskrieg darüber, welche Schaffensperiode der Sängerin die beste sei (ihre Decca-, Columbia-, Commodore- oder Verve-Zeit). Ich bevorzuge ganz eindeutig ihre Columbia-Zeit, weil Billie Holiday hier einerseits bereits Songs in enormer Intensität singt und andererseits ihre Stimme noch nicht so brüchig und fragil ist, wie z.B. bei ihren späteren Verve-Aufnahmen. Dass ich, als Billie Holiday-Fan, selbstverständlich auch ihre Aufnahmen bei den anderen Platten-Labeln auf CD besitze, versteht sich allerdings von selbst, nur beginnen sollte man besser nicht mit ihrer Spätphase.
Musik-Beurteilung
Jazz in unglaublicher Intensität, wobei sich die Stimme der Billie Holiday häufig anhört wie ein Instrument, das sich einfügt in das Spiel der Musiker, die sie begleiten.
Technische Beurteilung der CDs
Die ersten Aufnahmen dieser CD-Box entstanden bereits im Jahre 1933 und angesichts des Alters der Bänder und teilweise Metall- und Glas-Masters ist die Klangrestauration ganz hervorragend gelungen. Unangenehmes Knistern oder Zischen wurde weitgehend herausgefiltert, ohne den Frequenzgang unnatürlich zu beschneiden. Ein Meisterwerk der Tontechniker bei Columbia/CBS.
Kaufempfehlung
Nahezu alle Musiker, die damals mit Billie Holiday zusammen live auf der Bühne oder im Aufnahme-Studio standen (die besten und bekanntesten Jazz-Musiker jener Zeit), bezeichnen Billie Holiday übereinstimmend als "die größte Jazz-Sängerin aller Zeiten ..." Nach so vielen Jahrzehnten gibt es auch heute kaum eine Jazz-Sängerin, die nicht voller Respekt und Hochachtung von Billie Holiday spricht und viele dieser Sängerinnen haben sog. "Tribute-Alben" aufgenommen - an die Original-Aufnahmen kommt jedoch bis heute niemand heran.
PS
Erst jetzt sehe ich den JPC-Verkaufspreis (21,99 Euro), ob es sich hier wohl tatsächlich um die Original-Box handelt? Denn die wurde/wird bei den Mitbewerbern für ca. 130,-- Euro verkauft ...