Anita Baker, eine Detroiter Sängerin der Spitzenklasse
Detroit, die einst pulsierende Industriemetropole, ganz im Norden der USA, an der Grenze zu Kanada gelegen, war in den 1950er und 1960er Jahren das Zentrum von Rhythm & Blues (der großstädtischen und meist schnelleren Variante des eher ländlich geprägten Blues der Südstaaten) und "Northern Soul" (eine Bezeichnung, die hauptsächlich von britischen Soul-Fans, zur Unterscheidung vom Southern Soul aus Memphis, New Orleans usw., benutzt wird).
Die Konzentration der us-amerikanischen Autoindustrie (General Motors, Ford, Chrysler) auf Detroit wirkte damals wie ein Magnet auf Arbeitskräfte. Und so zog es schon früh viele - besonders schwarze - Amerikaner, die in den amerikanischen Südstaaten weiterhin unmenschlich behandelt wurden, nach Detroit.
In unzähligen (Jazz-) Clubs fanden die Auto-Arbeiter nach Feierabend Entspannung vom Stress der monotonen Fließbandarbeit, darunter solche Berühmtheiten, wie die "Flame Bar", in der Künstler/innen, wie Billie Holiday und Johnny Ray auftraten. In dieser schwarzen Detroiter Arbeiterklasse gab es ein schier unerschöpfliches Potenzial von Talenten, die das Zeug zu ganz großen Künstlern hatten (Jackie Wilson, Della Reese, Dakota Staton, Aretha Franklin, Supremes, Temptations, Smokey Robinson, Diana Ross, Stevie Wonder usw. usw.) und auch Detroits weiße Community brachte etliche künstlerische Talente hervor, z.B. Madonna, die sich viel von Motown abguckte, als sie anfing professionell zu singen (ihr frühes Album "True Blue" gilt als Hommage an die schwarzen Girl-Groups ihrer Detroiter Nachbarschaft).
Als die, in Toledo, Ohio geborene, aber in Detroit aufgewachsene ANITA BAKER Mitte der 1980er Jahre einem großen internationalen Publikum bekannt wurde und ihr Album "Rapture" zu einem Super-Erfolg wurde. war die Zeit reif für Musik dieser Art. Das Publikum hatte die Nase (die Ohren :-)) gestrichen voll vom synthetischen Sound all der Synthesizer und Drum-Computer, mit denen die Ohren seit Jahren gequält wurden ...
Hier trat eine kleine schwarze Frau, mit einer fantastischen Stimme, vor's Mikrofon und sang, dass uns beim bloßen Zuhören die Luft wegblieb. Der Sound ihrer Musik war so echt und mitreißend, dass man den Eindruck hatte, hier hätte "eine alte Seele all die Jahrzehnte schwarzer Kultur der USA in sich aufgenommen und würde nun daraus schöpfen".
Entsprechend begeistert waren die internationalen Kritiken zu "Rapture"
Zitate:
"ein wunderbar zeitloses Soul-Album ... Stil und Wärme in Fülle ..."
"ein Titel schöner, als der andere ... Anita Bakers Stimme gehört zu den Kron-Juwelen im Pop-Reich ..."
"eine Stimme, wie Samt und Seide, eine Aufnahme, klar wie ein Gebirgsbach, Soul für alle Jahreszeiten ..."
Und was sagte ANITA BAKER zu den Wurzeln ihrer eigenen Musik?
"Ich höre fast nur das alte Motown-Zeug, außerdem viel aus den Vierziger Jahren, wie Billie Holiday, die frühe Sarah Vaughan und Ella Fitzgerald und natürlich Aretha Franklin ..." (Quelle: DER SPIEGEL Nr. 33/1986)
Vor ihrem ganz großen internationalen Durchbruch, mit dem teilweise selbst produzierten Album "Rapture", war Anita Baker in der Detroiter Black Community bereits seit Jahren eine feste Größe und man erwartete dort ihre Alben jeweils mit großer Ungeduld (z.B. "Chapter 8", 1979 +++ "The Songstress", 1983).
"Rapture" leitete eine Welle von Soul-Musik Alben ein, die sich wieder mehr auf handwerkliches Können (echte Musiker, statt Maschinen) und die Kraft von Melodien und schwarzem Rhythmus besannen. Anita Baker aber räumte, nach dem Durchbruch mit "Rapture" so richtig ab, sie gewann Musikpreise für "Best R&B Vocal Performance, Female" +++ "Best Rhythm & Blues Song" +++ "Best Soul Gospel Performance by a Duo or Group, Choir or Chorus" +++ "Record of the Year" +++ "Song of the Year" und diese Nominierungen und Preisgewinne hielten über die nächsten Jahre an.
Meine weiteren Empfehlungen:
"Anita Baker The Songstress" (CD Beverly Glen Music Inc. USA BGD-10002)
"Anita Baker Sweet Love" Live - unverschämt kurze Spieldauer, aber sehr gut - (CD Elektra/WB Japan WPCP-3170)
"Anita Baker Compositions" (CD Elektra/WB USA 60922-2)
und für Einsteiger und Neuentdecker die hervorragende 'Best Of CD' aus dem Hause RHINO-Records:
"Sweet Love - The Very Best Of Anita Baker" (als zusätzliche Produktempfehlung, neben 2 anderen, unter dieser Rezension verlinkt)
Fazit:
Anita Bakers Musik ist zeitlos gut und begeistert auch nach Jahrzehnten bei jedem Hören auf's neue. Kaufen, wenn noch nicht geschehen. Das Album ist längst Kult und inzwischen auch ein moderner Klassiker.