Romantisch-impressionistisches Monstrum
Der Begriff "Monstrum" soll an dieser Stelle keineswegs negativ gemeint sein. Ganz im Gegenteil! Nur ungenügend kann das Wort beschreiben, was nur gehört werden kann: ein gewaltiges Stück Musik! Gewaltig in den Ausmaßen (67 Minuten), gewaltig die riesige Orchesterbesetzung, gewaltig der Schusssatz (allein über 26 Minuten) und gewaltig die Tonsprache. Auf Seite 7 des vorzüglichen Booklets wird Hans Janciks Deutung von Marx' Tonsprache trefflich zitiert: "Südländische Melodienfreude, romantischer Impressionismus und das Klangerleben einer jungrussischen Schule, vor allem Skrjabins...". Ich gebe zu, besonders in den Sätze 1, 2 und 4 ebenfalls sofort - zumindest streckenweise - an Skrjabin gedacht zu haben, ohne den Booklettext schon zu kennen. Auch den späten Strauss meint man zu hören, Klänge der frühen französischen Impressionisten. Und doch ist die Musik dieser Sinfonie kein stilistisches Plagiat, sondern eine Musikschöpfung eigener Art. Über dem ganzen Stück liegt der Hauch versonnen-grüblerischer Herbstromantik. Warum man nun für diese Aufnahme ausgerechnet auf ein Orchester aus Graz zurückgreifen musste, erklärt sich schnell: Marx war Grazer und so dürfte den Philharmonikern seiner Heimatstadt dieser Werk eine Herzensangelegenheit gewesen sein. Dirigent Wildner behält bei dem ganzen Orchestergewimmel und -getümmel stets den Überblick. Die Aufnahmetechnik bewältigt die schwierige Aufgabe recht gut. In den Höhen hier und da mal etwas zu scharf (Trompeten) und in den Tiefen manchmal recht grummelig (Schlagwerk). Im Ganzen aber doch eine gute Leistung, die auch dazu beiträgt, Orchesterklangfetischisten zu einem neuen Renner zu verhelfen. Es lohnt sich!