Zwiespältiger Gesamteindruck
P.C. Kayser war bislang eine lexikalische Größe, der man nur im Zusammenhang mit der Biographie seines Freundes Goethe begegnete, auf dessen Texte er immerhin drei Singspiele schrieb. Nun ist es sehr interessant, mit „Scherz List und Rache“ zum ersten Mal eines dieser Werke, die von der Nachwelt nahezu völlig ignoriert wurden, kennenlernen zu können.
Mein Gesamteindruck ist zwiespältig: Zum einen findet man bei Kayser spannende, individuelle und zukunftsweisende Musik, die man um 1780 andernorts so kaum gehört haben dürfte. Andererseits leidet das mit nur drei Personen besetzte Singspiel, das hier um fast 50% gekürzt (aber immer noch zwei Stunden dauernd!) erklingt, an der oftmals redundanten Überfülle des prinzipiell schlichten Textes, der vom Komponisten meist äußerst kleingliedrig nachgezeichnet wurde, was das Hören am Stück recht anstrengend macht. Unmittelbar eingängige Melodien fehlen fast völlig, Kaysers Tonsprache kann als intellektuell und durchaus spröde bezeichnet werden. Goethe war sich dessen voll und ganz bewusst und so fand das für den Kenner aparte, aber letztendlich unaufführbare Werk bis 1993 (und da auch nur gekürzt und in reduzierter Orchesterfassung) nie den Weg auf eine Opernbühne. Sehr ungünstig erwies sich außerdem der kometenhafte Aufstieg Mozarts zur selben Zeit, der auf Kayser so entmutigend gewirkt haben muss, dass er schon 1792 das Komponieren völlig aufgab.
Das vorliegende Singspiel ist zwar noch nach Einzelnummern gegliedert, aber diese sind oft sehr lang und in sich in zahlreiche kleinere Rezitative und Arien unterteilt, so dass sich ein durchkomponierter Gesamteindruck ergibt. Die Tonsprache bedient sich italienischer und deutscher Einflüsse, ohne irgendwie epigonal zu sein, die Instrumentation ist farbig und originell, manches erinnert den heutigen Hörer stark an Beethoven. Ob „Scherz, List und Rache“ jemals eine Platz im gegenwärtigen Opernbetrieb finden wird, darf bezweifelt werden.
Die drei Gesangskräfte, die allesamt trotz der umfangreichen Kürzungen sehr anspruchsvolle und anstrengende Partien haben, leisten durchweg Erfreuliches. Besonders der lyrische, manchmal an F. Wunderlich erinnernde Tenor von C. Frey hat mich vollends überzeugt.
Das Originalklangorchester unter W. Erhard hingegen agiert in dieser sehr direkt aufgenommenen und recht nebengeräuschreichen Liveaufnahme m.E. zu scharf, ruppig und leider (besonders in den Streichern) oftmals unsauber. Wie schon bei früheren Aufnahmen in dieser Besetzung hat der pausenlos und ungebremst pseudo-virtuos arpeggierende Hammerflügelspieler M.Toni schon bald meine Geduld überstrapaziert.
Schade, dass somit der gesamte instrumentale Bereich nicht überzeugt. Insgesamt ist auch sehr bedauerlich, dass man bei der DHM nicht in eine ungekürzte Studioaufnahme investieren konnte oder wollte, die es ermöglicht hätte, die gesamte Partitur kennenzulernen, ohne die drei Protagonisten zu überfordern. Wenigstens hätte man den Gesamttext abdrucken und die Kürzungen kennzeichnen können. So bleiben nach dem Hören dieser Weltpremiere trotz ausgezeichneter Sänger doch noch viele Wünsche offen.