Faszination "Bossa Nova"
Das Album "Bossa Nova Stories" von 2008 ist mit zwei runden Jubiläen verbunden: Zum einen erinnert es an die zu diesem Zeitpunkt 50 Jahre zurückliegende Geburtsstunde des Bossa Nova, zum anderen sind es mit ihm nun über 20 Veröffentlichungen in der beeindruckenden Karriere der "Crossover"-Künstlerin Eliane Elias. Beide Erfolgsgeschichten erzählen von der Faszination eines Musikstils mit seiner verführerischen Mischung von Harmonik, Melodik und Rhythmik. Eliane Elias' Leidenschaft für den Bossa Nova, den sie selbst gern als geradezu "genetisch" in ihr angelegt beschreibt, reicht bis in die eigene Kindheit in Sao Paulo zurück, als die "Neue Welle" die brasilianische Musikwelt revolutionierte, indem sie zum Ausdruck des Lebensgefühls der jungen Generation und der allgemeinen Aufbruchstimmung im Land wurde, und dabei war, nun vor allem auch die USA zu "erobern". Früh im klassischen Klavierspiel ausgebildet, aber tiefer mit dem Jazz verbunden (so dass sie beispielsweise bereits als Zwölfjährige die Soli großer amerikanischer Jazz-Pianisten transkribiert), erscheint die Affinität zu der charakteristischen innovativen Mixtur aus - so Eliane Elias - "Bebop und Samba" naheliegend. Die Erfahrung, in einer Hochzeit des Bossa Nova aufgewachsen zu sein, wird prägend, zumal sich für die 17-jährige talentierte Pianistin sogar die Möglichkeit einer ersten längeren Zusammenarbeit mit einem der Bossa Nova-Pioniere, Vinícius de Moraes, eröffnet, was so viel bedeutet, wie den Bossa Nova aus erster Hand kennenzulernen. Dass Eliane Elias' musikalische Entwicklung als Pianistin, Arrangeurin, Komponistin und Sängerin immer von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Bossa Nova begleitet ist, dokumentieren insbesondere die beiden Alben, die eine Hommage an den Mitbegründer und die einflussreiche "Gallionsfigur" des Bossa Nova, Antonio Carlos ("Tom") Jobim, darstellen, den sie ebenfalls persönlich gekannt hat: "Plays Jobim" von 1989 und "Sings Jobim" von 1998.
Auf dem Album "Bossa Nova Stories" gewinnt man den Eindruck, dass die vielseitige Musikerin Eliane Elias alles das, was den traditionellen Bossa Nova ausmacht, regelrecht verinnerlicht hat, denn es gelingt ihr mit Klavier und Gesang vortrefflich, dessen Komplexität in die für den Hörer idealtypisch als schwebend-leicht, sinnlich, weich und fließend empfundene Musik zu transformieren. Bei den ausgewählten weltweit erfolgreichen Klassikern, "Schlüsselwerken" und frühen Beispielen der Bossa Nova-Bewegung, wie "The Girl from Ipanema" oder "Chega de Saudade", bringt sie subtil Referenzen an bedeutende historische Aufnahmen ein. Dabei erklärt sich für Eliane Elias die besondere Qualität der Stücke gerade auch damit, dass sie der Kreativität genügend Spielraum für eigene Ideen und Interpretationen lassen. Die Möglichkeit der Improvisation kommt, wie beispielsweise an "Desafinado" zu hören ist, insbesondere der versierten Jazz-Pianistin Elias entgegen, die sich - was wiederum der Authentizität der Stücke zugutekommt - nicht auf rein freies Experimentieren einlässt. Dass sich neben den populären Bossa Nova-Highlights von Jobim, Gilberto, Donato auch amerikanische Jazz- und Pop-Standards älteren und jüngeren Datums, darunter Songs, die mit den Namen George Gershwin oder Johnny Mercer verbunden sind, außerdem sogar noch 60er/70er Jahre-Hits von Chris Montez und Stevie Wonder, als Bossa Novas wiederfinden, ist für den Hörer ein interessantes Novum, was den romantischen Touch der Songs zu unterstreichen scheint. Eliane Elias hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch die großen Bossa Nova-Komponisten schon von amerikanischen Komponisten und Jazz-Musikern beeinflusst waren (Jobim etwa von Gershwin, Donato von Stan Kenton). Was die hochkarätige musikalische Besetzung des Albums angeht, sind - neben dem eingespielten "Team" Eliane Elias und Bassist Marc Johnson - der virtuose Gitarrist Oscar Castro-Neves, der den Stellenwert der akustischen Gitarre für den Bossa Nova einmal mehr bewusst werden lässt, und der legendäre Schlagzeuger Paulo Braga zu nennen (beide Bossa Nova-"Spezialisten", die lange mit Jobim zusammengearbeitet haben). Besonders hervorzuheben ist auch der brillante (vor kurzem 90 Jahre alt gewordene) Toots Thielemans mit seinem berührenden Mundharmonikaspiel. Dazu kommt die - so Eliane Elias - traditionellerweise bei Bossa Nova-Aufnahmen vorgesehene Begleitung durch großes Orchester - hier bei der Hälfte der insgesamt 14 Titel. Zu guter Letzt wird das Album noch dadurch abgerundet, dass der Schlusstitel mit einem Zitat aus dem Anfangstitel, "The Girl from Ipanema", ausklingt. Alles in allem also ein elegantes Album aus einem Guss, das sich von der breiten Masse an Musikproduktionen, die sich unter dem Label "Bossa Nova" finden lassen, wohltuend abhebt.