Grandiose Entdeckung
Rechtzeitig zur Luther-Dekade erscheint dieses Werk rund um die Gestalt Luthers in Worms, komponiert von einem Bielefelder Komponisten, den wohl kaum jemand zuvor kannte: Ludwig Meinardus, ein Mann mit bedauerlichen Persönlichkeitsmerkmalen (Antisemit) und einer recht kleinbürgerlichen, pietistisch geprägten Biografie. Trotzdem: Seine Bekanntschaft zu Franz Liszt verhalf ihm zu Erfolgen und ein besonderer Erfolg dürfte in diesen Tagen die lobenswerte Pioniertat von cpo sein, Meinardus' Oratorium "Luther in Worm" zu veröffentlichen.
Ganz in der musikalischen Tradition der Mendelssohn-Oratorien entfaltet Meinardus eine romantische Bekenntnismusik zum Protestantismus, die beeindruckt. Große Chor- und Choralsätze (Pilger, Nonnen, Anhänger Roms) wechseln ab mit bewegten Solopassagen, für die Meinardus ganze 8 (!!) Solisten vorschreibt.
Ohnehin musste der in der historisch informierten Aufführungspraxis erfahrene Hermann Max seine superbe Rheinische Kantorei gehörig verstärken und das Originalklang-Ensemble Concerto Köln zu Sinfonieorchester-Größe aufpeppen.
Entsprechend ist der Klang: sehr flexibel, rasche und rhythmische Tempi, und etwas rau im Klangbild.
Trotzdem eine großartige Interpretation, der ich nur einen kleinen Kritikpunkt und einen Wunsch beigeben möchte:
Matthias Viewegs Bass in der Titelpartie ist sehr hell und baritonal timbriert. In der Rolle des Luther hätte ich mir einen kraftvollen Bass mit Statur, Größe und Autorität gewünscht, ganz so, wie es Theo Adam einst als Elias verkörperte. Und:
Ich möchte dieses Werk einmal mit modernem Sinfonieorchester in traditioneller romantischer Interpretation hören. Das klingt sicher anders - aber wohl auch nicht schlecht.
Die Beigabe eines 60-seitigen Booklets zu dieser Doppel-CD macht diese cpo-Veröffentlichung gänzlich zu einem musikalischen Schatz. Besondere Empfehlung!