Abenteuerlicher Roadtrip zurück in die 1980er Jahre - spannend und mitreißend
Buchinhalt:
Die Mittfünfzigerin Annika führt ein beschauliches Leben in Lübeck, wo sie zusammen mit ihrem Mann einen Schreibwarenladen betreibt. Als eines Tages die 20jährige Luzie in den Laden kommt und Sekundenkleber kauft, gerät Annika in einen rasanten Strudel von Ereignissen – Luzie hat sich kurz darauf an der Kreuzung festgeklebt, wo sie fürs Klima protestiert. Annika entdeckt in Luzie eine verwandte Seele, war sie doch selbst in den 1980er Jahren Hausbesetzerin in der Hamburger Hafenstraße und ähnlich unangepasst, so wie Luzie heute. Annika will Luzie fortan beschützen – vor dem Schicksal, das Annikas Freundin damals das Leben kostete. Doch auch Luzie hat ein Geheimnis....
Persönlicher Eindruck:
Vorab: mir hat der Gesellschaftsroman sehr gut gefallen. Der Schreibstil ist ansprechend und bildhaft, die Autorin vermag es vortrefflich, Schauplätze, Personen und historische Ereignisse so in Worte zu verpacken, dass beim Lesen sofort Kopfkino entsteht. Thematisch geht es um das Thema Klimaaktivismus und die dadurch verbundene Zeitreise in die 1980er Jahre – ein Roadtrip, auf den sich zwei Frauen begeben, die als verwandte Seelen zwar unterschieldich sind und dennoch viel gemeinsam haben.
Zum einen ist da Annika, etwa Mitte 50. Sie lebt ein bürgerliches Leben zusammen mit ihrem Mann im beschaulichen Lübeck. Zum anderen ist da Luzie, etwa 20, rebellisch, unkonventionell und als Aktivistin bei der Letzten Generation aktiv. Durch ihre Sitzblockade werden aus den beiden Frauen schließlich Verbündete. Annika wird konfrontiert mit ihrer eigenen Vergangenheit damals in der Hamburger Hafenstraße, wo sie mit ihren Freunden Milena und Matti und weiteren jungen Leuten Häuser besetzte und schließlich die Straßenschlachten mit der Polizei hautnah miterlebte. Milena fand unter tragischen Umständen dabei den Tod und genau das will Annika Luzie im Heute ersparen.
Mancher Leser mag im Laufe der Lektüre einwenden, dass vieles, was Annika tut, irrational und unbegründet geschieht. Ja, das ist richtig, doch bedenkt man Annikas Kindheit und Jugend, passt dieses unangepasste Verhalten, das da an die Oberfläche kommt, sehr gut zu der älteren der beiden Hauptfiguren.
Es folgt ein abenteuerlicher Roadtrip nach Hamburg, in ein Protestcamp der Klimaaktivisten, zu den Schauplätzen von damals und schließlich bis nach Venedig, wo Annika und Luzie den ehemaligen Punk der 80er, Matti, suchen, der heute als Arzt praktiziert und nicht mehr der Revoluzzer ist, der er damals war. Und dann kommt Annika langsam dahinter, das das, was sie bisher als Wahrheit kannte, ganz anders war: somit setzt sie sich endlich mit der verdrängten Vergangenheit auseinander und räumt auf in ihren verschütteten Erinnerungen..
Die Figuren waren für mich sehr plastisch angelegt, die abenteuerliche Reise und die vielen Rückblenden spannend und mitreißend. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, als ich einmal mit Lesen angefangen hatte. Historisch hat der Plot viel zu bieten, arbeitet die Thematik der Hausbesetzer in Hamburg gekonnt auf und bringt die Ereignisse von damals tiefgründig rüber. Auch die wachsende Freundschaft, wenn man es so nennen will, zwischen Annika und Luzie empfand ich als berührend. Natürlich verhält sich Annika zunächst reichlich übergriffig, als sie sich einmischt in das Leben der fremden jungen Frau, aber mit Kenntnis der Hintergründe kann man das auch ein Stück weit nachvollziehen.
nsgesamt ist Tage mit Milena ein spannender Gegenwartsroman, der ein aktuelles Thema unserer Zeit verknüpft mit Ereignissen der jüngeren Vergangenheit, so dass daraus ein atmosphärisches Ganzes entsteht.
Eine absolute Leseempfehlung meinerseits, mir hat der Roman gut gefallen!