Gelungen verschachtelt
Lektorin Susan Ryeland ermittelt – und das bereits zum dritten Mal! Nachdem ihr langjähriger Starautor Alan Conway bereits in „Die Morde von Pye Hall“ zu Tode kam und sie schließlich nach Kreta auswanderte, versucht sie jetzt, in der britischen Verlagsbranche erneut Fuß zu fassen. Und erhält ein unerwartetes Angebot: Ein junger, bislang eher erfolgloser Autor namens Eliot Crace soll Alan Conways Reihe um den Meisterdetektiv Atticus Pünd um einen weiteren Band ergänzen. Was läge näher, als dass sie das Lektorat übernimmt? Susan ist allerdings nicht restlos begeistert: Crace ist kein einfacher Charakter und bringt sie mit Teilen ihrer Vergangenheit in Kontakt, die sie lieber gemieden hätte. Sein Buch „Pünds letzter Fall“ startet zwar recht gelungen, doch Susan kommt bald dahinter, dass Crace darin seine eigene Familiengeschichte verarbeitet. Um die Hintergründe zu verstehen, stellt sie Nachforschungen an und stößt in ein Wespennest. Kurz darauf ist sie nicht nur wieder arbeitslos, sondern auch noch mordverdächtig …
Susan Ryelands zweiten Fall habe ich leider verpasst, aber mindestens an „Die Morde von Pye Hall“ knüpft „Tod zur Teestunde“ wunderbar an: Es geht nicht nur um Susans Geschichte, sondern auch um das Buch im Buch. „Pünds letzter Fall“, ein klassischer Krimi im Agatha-Christie-Stil, wird in drei langen Passagen zu großen Teilen erzählt – so großen Teilen, dass Susan Ryeland zwischendurch stark in den Hintergrund rückt. Gleichzeitig macht es Spaß, sich zunächst in das Cosy Crime zu vertiefen und sofort im Anschluss die kritischen Anmerkungen der Romanlektorin unter die Nase gerieben zu bekommen. Dass Eliot Crace seinen Krimi als Schlüsselroman über die eigene Familie konstruiert, führt beide Geschichten raffiniert zusammen. Und dann überschlagen sich die Ereignisse irgendwann. Es ist mir ein Rätsel, warum der Insel Verlag relativ spät stattfindende Romanereignisse auf dem Buchrücken spoilert – davor findet genügend anderes statt, das die Leser*innen bei Laune hält. „Tod zur Teestunde“ ist spannend, unterhaltsam, twistreich und lädt auf verschiedenen Ebenen zum Miträtseln ein. Manches Mal habe ich mir gewünscht, ich hätte „Die Morde von Pye Hall“ vor diesem dritten Band noch einmal gelesen – die Geschichten sind ungeahnt eng miteinander verwoben. Die toll verschachtelte Komposition hat mich über die ein oder andere nicht komplett logische Aktion hinwegsehen lassen, die mich bei einer weniger komplexen Geschichte vielleicht gestört hätte. Von Susan Ryeland würde ich gerne wieder lesen – und falls verschlungene Pfade doch noch zu einem weiteren Atticus-Pünd-Fall führen sollten: umso besser! Anthony Horowitz ist einfach ein Meister seines Genres.