Der Auftaktband für Rieker und Ahrens verlangt nach mehr
Der erste Fall für den Criminalcommissar Hermann Rieker und Johanna Ahrens, die Tochter eines Hamburger Richters, hat mich in das ausgehende 19. Jahrhundert zurückversetzt.
Eine junge Frau wird in einem abbruchreifen Kontor tot aufgefunden. Wie sich herausstellt, wurde ihr ein Messer immer wieder in den Rücken gestoßen, sie sieht aus wie durch den Fleischwolf gedreht. Rieker, der gerade zum Criminalcommissar befördert wurde, hat die Leiche in Augenschein genommen und nun will sein Vorgesetzter Criminalinspektor von Stresenbeck von ihm wissen, wie der Stand der Dinge ist. Gleichzeitig macht er ihm klar, dass er große Bedenken hat, ob er der Richtige für diesen Fall sei. Drei Tage gibt er ihm Zeit, den Mörder dingfest zu machen, allenfalls wird Commissar Breiden eingreifen. Was Rieker so gar nicht gefällt. Die Rivalität, die von Breiden ausgeht, nimmt mich sofort für Rieker ein, der von seinem Mentor und ehemaligen Vorgesetzten Kleinschmidt, der leider verstorben ist, viel gelernt hat.
Johanna, die Tochter des Richters Hans Ahrens, hatte schon immer ihren eigen Kopf, zudem ist sie sehr sozial eingestellt. Heimlich betreibt sie im Gängeviertel eine Schule für Frauen, sie lehrt ihnen Lesen und Schreiben, unterrichtet sie im Rechnen, trägt zu ihrer Allgemeinbildung bei. Eine ihrer Schülerinnen ist abgängig, sie forscht nach und stellt fest, dass es sich bei der Toten im Kontor um diese Schülerin handelt. Sie meldet dies und mischt sich, sehr zum Missfallen Riekers, in seine Ermittlungen ein, dabei spielt ein Totenfotograf eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Ich tauche tief ein in die Totenfotografie (von der ich zugegebenermaßen nicht viel gewusst habe), die ein letztes Andenken an die Verstorbenen war. Der Totenfotograf ist es auch, der mehr als der von der Polizei bestellte Totenarzt über die Ermordung der jungen Frau sagen kann. Auch Johannas Leben als höhere Tochter wird beleuchtet, sie hat einen Verehrer, der den Eltern sehr genehm wäre, vor allem die Mutter ist sehr angetan von ihm. Und natürlich sind es Rieker und sein ihm zur Seite gestellte Helfer, der Criminalsekretär Kracht, die mit den ihnen damals zur Verfügung stehenden Mitteln alle Hebel in Bewegung setzen, um dem Mörder auf die Spur zu kommen. Denn wie es scheint, ist hier ein Serienmörder am Werk.
Riekers Ermittlungen und Johannas Nachforschungen sind es, die im Wechsel erzählt werden, die sich annähern und gefühlt immer dann den anderen Erzählstrang aufgreifen, wenn es vor Spannung knistert. Die Polizeiarbeit ist eine dieser Zeit angepasste, die Obrigkeit hat viel Gewicht. Standesdünkel spielen auch hier mit hinein, bei Johanna und der Stellung ihres Vaters als Richter sowieso.
Mit den beiden Hauptakteuren Hermann Rieker und Johanna Ahrens hat Ralf H. Dorweiler zwei Charaktere präsentiert, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die das gesellschaftliche Leben anno 1887 aufs Beste wiedergeben. Das Ende lässt auf einen neuerlichen historischen Kriminalroman hoffen, als Johanna zu Rieker eilt, um ihm von ihrem schrecklichen Verdacht zu berichten. Ich werde auch diesen Fall gespannt verfolgen.