Die eine Seite der Medaille
Mit "Digitale Diagnosen" liegt ein Werk der Autorin Laura Wiesbröck vor, dass sich sehr kritisch mit vielen Themen aus den Bereich "Mental Health" im Kontext von Social Media auseinandersetzt. Gekonnt zeigt sie auf über 170 Seiten auf, wie "normale" Lebenskrisen, die zum Menschsein und der Lebensentwicklung dazugehören, zu Diagnosen werden, wie Verantwortung abgegeben wird, indem auf eigene Diagnosen verwiesen wird und wie es zu einer Kommerzialisierung und Monetarisierung im Sinne der kapitalistischen Logik nach Selbstoptimierung kommt. Im Sinne klassisch linker Theorien fordert die Autorin einen Fokus auf krankmachende gesellschaftliche Zustände und Kämpfe um Veränderungen, statt mit "Mental Health" Arbeit den Fokus auf sich selbst ztu legen. Die Argumentation der Autorin ist, meines Erachtens nach, in vielen Punkten schlüssig, ich habe aber beim Lesen viele Momente, des "Ja, aber" erlebt. So wird z.B. für meinen Geschmack zu wenig ein Fokus auf die Möglichkeit des Findens von Gleichgesinnten in Social Media Gruppen gelegt, was eine Form der Kräftigung, statt der bisher erlebten Isolierung sein kann. Auch erlebe ich die klassisch linke Kritik an alternativen naturheilkundlichen Verfahren und deren Ablehnung als unwissenschaftlich als zu kurz gegriffen, weil gerade diese vielen Menschen helfen, wo andere Methoden nicht weiter kommen. Generell hätte ich mir in dem Buch mehr "Sowohl - Als auch" statt den dominierenden "Schwarz-Weiß" Muster gewünscht.