Ergreifendes, bewegendes Familienschicksal und Zeugnis deutscher Zeitgeschichte.
Buchinhalt:
So viel ungelebtes Leben – die Geschichte der Aenne Beckmann, geborene Haber und ihrer vier Brüder, Franz, Hans, Alfons und Willi. Vier Brüder, alle gefallen im zweiten Weltkrieg, lebendig durch Erinnerungen ihrer Schwester Aenne und einem Karton Feldpostbriefe. Ein Leben voller Verluste, dem Grauen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges, aber auch voller Hoffnung und Liebe für die Angehörigen, die zuhause um die Söhne und Brüder bangen und sich nichts mehr als einen baldigen Frieden wünschen....
Persönlicher Eindruck:
Selten hat mich ein Buch derartig berührt und bewegt, wie dieses. Es ist das Leben von Reinhold Beckmanns Mutter Aenne und ihren Brüdern, ein Leben, das früh vom Verlust der leiblichen Eltern gezeichnet war und wahrscheinlich gerade dadurch die fünf Kinder noch mehr zusammenschweißt.
Es ist ein Buch, das schonungslos über die Verwüstungen an den Fronten des Zweiten Weltkrieges berichtet und auf eindringliche Art und Weise klarmacht, welche Grauen ein so junges Leben erleiden musste. Ungelebtes Leben – vier Brüder sind gefallen, keiner ist aus dem Krieg zurückgekehrt.
Eine Schachtel mit Feldpostbriefen ist es, die zusammen mit fundierter Recherche und zahlreichen Literaturquellen sowie Zeitzeugeninterviews die Grundlage für dieses Buch bilden. Beckmanns Mutter Aenne hat sie kurz vor ihrem Tod ihrem Sohn vermacht und anhand der Briefe in Sütterlin versucht er, das Leben der Onkel, die er nie kennenlernen durfte, nachzuvollziehen.
Im Grunde beginnt das Buch mit Aennes Geburt, zeichnet ihre ersten Jahre nach, den frühen Tod der leiblichen Mutter, die Heirat von Vater Haber mit der Stiefmutter und die tiefe Frömmigkeit in der erzkatholischen Gemeinde. Der Nationalsozialismus kommt relativ spät ins beschauliche Wellingholzhausen, doch letztendlich bleibt das Dorf nicht lange eine Insel der Seligen. Der Krieg bricht aus und einer um den anderen werden die Brüder von Aenne eingezogen.
Unverblümt und ohne Blatt vor dem Mund berichtet das Buch von dem, was die deutschen Soldaten durchmachen – aufgrund der Stationierung von Aennes Brüdern liegt der Schwerpunkt auf dem Ostfeldzug, der Einkesselung von Stalingrad und nach verlustreichen Jahren schließlich der deutschen Kapitulation.
Es ist keine einfache Lektüre – aber es ist ebenfalls das Schicksal auch unserer Väter und Großväter, ein Thema, das oftmals tabu war und nach dem man nicht groß fragen durfte. So wird Aenne zur Identifikationsfigur der Daheimgebliebenen, die sehnlich auf einen Feldpostbrief ihrer Lieben warten, Gefallene zu beklagen haben oder die Hoffnung auf das Auffinden eines Vermissten nicht wagen, aufzugeben.
Beckmann untermauert sein Werk mit einer großen Anzahl an Fotografien, die das Gelesene noch einmal deutlicher machen. Die handelnden Personen haben ein Gesicht, als Leser kann man sie vor dem inneren Auge vor sich sehen.
Mir trieb das Gelesene mehr als einmal Tränen in die Augen. Es ist kein Buch, das man „einfach mal so“ liest. Es ist eine Mischung aus Biografie und zeitgeschichtlichem Dokument, das bis heute kein Stück seiner Brisanz verloren hat und das man unbedingt gelesen haben sollte.