Was, wenn Jesus mitten in deinen Alltag hinein sprechen würde?
Selbst für die meisten Christen ist der historische Jesus nicht jemand, dem man einfach mal so auf der Straße in die Arme laufen könnte oder der mitten im Alltag das Gespräch mit ihnen sucht. Anders ging es den Menschen vor fast zweitausend Jahren, die Jesus ganz anders erlebten, als wir es heute tun - nicht durch Bücher und Schriften, sondern mitten im Leben. Dem versucht die Serie "The Chosen" nachzuspüren und nimmt dafür die Jünger Jesu und ihre Schicksale in den Mittelpunkt.
Im Zentrum der dritten Staffel der Serie, die in diesem Buch verschriftlicht wurde, steht die (fiktive) Frau von Simon Petrus, Eden. Während sich das missionarische Handeln Jesu fortsetzt (konkret greift das Buch etwa die Bergpredigt, die Aussendung der Jünger und die Speisung der Fünftausend auf), rücken so auch die zurück gebliebenen Familien der Jünger in den Mittelpunkt und was es für sie bedeutet, dass die jungen Männer ihre Ehefrauen und Eltern zurücklassen, um Jesus zu folgen. Dabei scheuen die Macher der Serie auch vor dunkleren Themen nicht zurück, die selbst heute erst seit wenigen Jahren offen angesprochen werden. So ist die Geschichte zwar antik, die Themen jedoch hochaktuell und für moderne Leser maßgeschneidert.
Genau an diesem Punkt stößt "The Chosen - Bei mir findest du Ruhe" allerdings auch immer wieder an seine Grenzen: Deutlicher als die beiden Vorgängerbände ist hier zu spüren, dass aus einer amerikanischen Perspektive erzählt wird, die bestimmte Regelungen oder (spirituelle) Praktiken als gegeben voraussetzt und nicht darüber nachdenkt, dass es in der Antike möglicherweise anders gewesen sein könnte. (Auffällig ist das besonders dort, wo einfache Fischerfamilien in der Freizeit Torarollen aus ihrem Familienbesitz lesen, was die Leser natürlich an ihre eigene Bibellektüre erinnern soll, in die Zeit allerdings nicht passt.) Auch an anderen Stellen driftet die Erzählung immer wieder zu scheinbaren Wahrheiten ab, die für den theologisch ungeschulten Leser auf den ersten Blick nicht klar als Fiktion zu erkennen sind. (Wie etwa die Benennung des "Bergs der Seligpreisungen" durch Matthäus, wohingegen der heute so benannte Ort erst deutlich später von Pilgern so betitelt wurde und nicht zwingend mit dem Berg der Bergpredigt identisch sein muss.)
Insgesamt sind diese schwierigen Aspekte allerdings deutlich in der Minderheit. Vielmehr erlebt man im dritten Band von "The Chosen" wie gewohnt Bibelgeschichten in einem völlig neuen Licht, deutlich lebendiger, quasi dreidimensionaler und auch packender, als man es gewohnt ist. Auf verschiedenen Wegen wird auch schon auf das angespielt, was noch kommen wird - von den acht geplanten Staffeln ist man inzwischen ja nun auch fast auf der Halbzeit - und so kriegt man auch immer wieder selbst Lust, zur Bibel zu greifen und nachzulesen, wie das Quellenmaterial von dort verarbeitet wurde. (Ein Stellenregister zu den einzelnen Teilen/Folgen im Anhang wäre dafür eine echte Bereicherung.) So wie die beiden Vorgängerbände kann ich diesen dritten Band von "The Chosen" also nur jedem ans Herz legen, der Lust darauf hat, die aus den Evangelien bekannten Geschichten einmal ganz neu zu erleben. Auch denjenigen, die die dritte Staffel von "The Chosen" bereits gesehen haben, sei das Buch wärmstens ans Herz gelegt, da hier viele Details viel besser zum Tragen kommen und Subtexte deutlicher werden. Andersherum lässt sich das Buch natürlich hervorragend zuerst lesen - versüßt durch das Wissen dadurch, dass die Verfilmung bereits in Serienlänge existiert.