So sei "The Tango Bar" ein Album über Zeit und die Reibung/Spannung, die wir fühlen, wenn sie vergeht....
Unglaublich, aber es ist wahr. 1982 war es, dass Greg Copeland sein Debüt-Album "Revenge Will Come" veröffentlichte, 2008 den Nachfolger präsentierte, "Diana And James" und nun, 2020, sein erst drittes Album vorstellt. Und mit "The Tango Bar" ist dem mittlerweile 74-jährigen Musiker ein grandioser Wurf gelungen.
Im Kern relativ spartanisch arrangiert und eingespielt, als Basis sind es eigentlich neben dem meist singenden Copeland die beiden Musiker Tyler Chester und Greg Leisz, die den Hauptanteil ausmachen und den ganzen Charakter der Musik mitbestimmen. So ist es gelungen, eine sehr intime Atmosphäre zu schaffen, die dennoch sehr ausdrucksstark und expressiv ihre Wirkung entfalten kann. Anlässlich eines Interviews mit dem Künstler wies dieser auch darauf hin, dass das Hauptanliegen war, alles Ausschmückende weitestgehend zu eliminieren, so dass nur das Wesentliche auf dieser Platte zählen soll.
Und mit einem seiner engen Freunde, neben Jackson Browne und Steve Noonan, ist es hier Greg Leisz, der äußerst rührige Sessionmusiker (von Willie Nelson und Eric Clapton über die Eagles oder Crowded House bis hin Bruce Springsteen oder Joe Cocker, und natürlich Jackson Browne sowie wahrscheinlich zig-anderen Produktionen), den Greg zur Zusammenarbeit gewinnen konnte. Eigentlich sind es seine "Wunschmusiker", mit denen das Album eingespielt wurde, und genau das zeigt sich auch im Endergebnis beeindruckend.
Beim Lead-Gesang pausiert Greg bei vier Songs und überlässt diesen Part jeweils Inara George (#1) und Caitlin Canty (#6, 7, 8) Inara, im Übrigen die Tochter von Lowell George (Little Feat), startet den bewegenden und oft melancholischen Reigen mit weicher und warmer Stimme, nur unterstützt von Piano und Bass. Welch' ein Auftakt! Ähnlich verträumt nimmt der nächste Song seinen Lauf, Greg's raue und gegerbt klingende Stimme, manchmal höre ich gar einen Hauch von Randy Newman, führt uns mittels weiterer Zutaten von Akkordeon, Zither, Gitarre und zart akzentuierter Perkussion tiefer in diese wunderbare Welt der neun Songs.
Diese Musik lädt ein zum Verweilen, zum entschleunigten Hören, veranlasst rasch dazu, sich bequem zurückzulehnen und den Feinheiten zu lauschen, und den Geschichten, die uns der Protagonist hier erzählt. Und diese Geschichten soll es bald auf "Bandcamp" als Texte zum Nachlesen geben. Nach dem etwas flotteren "Scan The Beast" mit diesem unwiderstehlich schleppenden Rhythmus und dem ungeheuer lasziven Ausdruck, herrlich, wenn sich Greg Leisz an der Lap Steel und Val McCallum an der E-Gitarre die Bälle zuspielen und gemeinsam einen deftigen Sound hinlegen, wird es nachfolgend dann wieder ruhiger.
Eine laszive Stimmung zieht sich wie ein roter Faden durch die Songs, mit gedämpften Pfeiftönen ist "Coldwater Canyon " angereichert, "Lou Reed" ist dann wieder ein wenig rockorientiert, und dann übernimmt Caitlin Canty für drei Songs den Gesangspart, auch wieder hervorragend im Ausdruck, auch mit warmer und emotional stark ausgeprägter Simme. Gar ein wenig mystisch wird es mit "Beaumont Taco Bell", wenn sich ihre Akustikgitarre mit der Pedal Steel von Greg Leisz trifft und zusammen ein schwebender Sound geschaffen wird, der mit seinem geheimnisvollen Ausdruck durchaus fesselnd wirken kann. Zum Schluss gibt es mit dem Titelsong noch ein Schmankerl mit einem Bläserarrangement von Trompete und Flügelhorn. Das ergibt eine Dicke Prise Melancholie, mich erinnert das Arrangement an die Colliery Bands aus Großbritannien und Wales, die einst von Bergleuten gegründet wurden. Und dazu noch dieser fast schon sprechende Gesang, das erzeugt Gänsehaut.
Aber so ist eigentlich jeder Song ein Volltreffer, keiner ähnelt dem anderem, besitzt also viel Eigenständigkeit, und dennoch ist die Musik der Platte wie aus einem Guss. Sofern man sich darauf einlässt, hinterlässt sie eine große Faszination und strahlt ganz viel Wohlgefühl aus, man möchte gleich weiterhören. Und da weist uns Greg Copeland auch darauf hin, dass der zweite Teil bereits im nächsten Jahr erscheinen soll! Resümierend muss ich feststellen, dass, wenn ich die beiden vorhergehenden Platten mit dieser neuen vergleiche, dass Greg Copeland nun einen sehr persönlich auf ihn zugeschnittenen Stil gefunden hat, der ihn als einen der großen Individualisten in der Singer/Songwriter-Szene ausweist. Ich denke, so hat er seinen Weg gefunden, er sollte zufrieden sein. Ich bin es auch mit dieser wunderschönen Musik, die so viel Intimität, Wärme, Leidenschaft und Gefühl ausstrahlt.
Das Coverphoto zeigt im Übrigen einen 22-jährigen Copeland in Griechenland, dabei seine damalige Ehefrau Pamela Polland (wer kennt es noch - "Please Mr. D.J."?) und zwei Einheimische, die insofern für Greg eine Art Zeitreise symbolisieren, waren sie doch damals in dem Alter, in dem er heute ist. So sei "The Tango Bar" ein Album über Zeit und die Reibung/Spannung, die wir fühlen, wenn sie vergeht....
Greg Copeland (vocals, acoustic guitar - #4, harmony vocals - #7, rhythm guitar - #9)
Inara George (vocal - #1)
Tyler Chester (piano -#1, 3, 4, 6, 7, 9, bass - #1, 3, 4, 5, 6, 7, guitar - #2, 9, keyboards - #3, 4, 5, 6, 7, 9, percussion - #4, horn arrangement - #9)
Davíd Garza (piano - #2, zither - #2, harmony vocals - #2)
Rob Burger (accordion - #2)
Jay Bellerose (drums, percussion - #2, 7)
Madison Cunningham (harmony vocals - #2)
Greg Leisz (lap steel - #3, electric guitar - #4, 5, 7, acoustic guitar - #7, harmony vocals - #7, pedal steel - #8)
Val McCallum (electric guitar - #3, 6)
Anna Butters (acoustic bass - #3)
Don Heffington (drums, percussion - #3, 5)
Caitlin Canty (vocals - #6, 7, 8, rhythm guitar - #7, acoustic guitar - #8)
Stewart Cole (trumpet, French horn - #9)