Ein visuelles und musikalisches Juwel!
Nachdem schon das Studioalbum von Transatlantic überraschend kam – man hatte eigentlich noch vor kurzem gedacht, die Band gibt's nicht mehr – und qualitativ fast durch die Bank überzeugen konnte und die Gruppe 2010 in Nordamerika und in Europa auf ihrer bislang längsten Tournee war, da war ein Konzertmitschnitt für die Nachwelt eigentlich schon vorprogrammiert. Hiermit liegt das Ergebnis vor uns: 2 DVDs vollgepackt mit dreieinhalb Stunden Longtracks zum Abwinken (allein die ersten beiden Tracks, "Whirlwind" und "All of the Above", dauern über zwei Stunden !!), plus zwei Stunden Bonusmaterial – und, als besonderes Schmankerl: Der Genesis-Klassiker "The Return Of The Giant Hogweed" mit Steve Hackett als Gast, mitgeschnitten auf dem Londoner High Voltage Festival. Soundmäßig gibt es an der Gitarre sowie Keyboards und Percussion Unterstützung durch Daniel Gildenlöw, der auch früher schon bei Transatlantic als Tourgitarrist mitwirkte.
Die Band betritt unspektakulär die Bühne des gemütlichen und vollbesetzten kleinen Londoner Theaters und geht mit dem Titelsong des dritten Studioalbums sogleich in die Vollen. Interessant der Aufbau: Morse mit Keyboards auf der linken Seite, in der Mitte die Saitenzupfer, rechts das Podest mit dem Schlagzeug Portnoys – also nicht wie üblich hinten. Tja, Portnoy – mit urigem Bart – ist eben nicht irgendein Drummer! Nachdem, was man hier wieder sehen kann, dürfte man ihn sicher zu einem der besten Schlagwerker der Welt rechnen. Und auf diese Weise kann man ihm beim Spielen auch genau zusehen! Besonders schön ist hier ebenso zu sehen, wie das Zusammenspiel der beiden Sänger Morse und Stolt wirkt. In gleicher Weise geht es weiter. Nach "All of the Above" gibt es eine kleine Verschnaufpause mit Stolt und Morse allein auf der Bühne und dem fast barocken und folkig angehauchten "We All Need Some Light", wo mir die Gitarrenläufe manchmal Steve Howe auf "Close to the Edge" in Erinnerung rufen oder manche Songs von Roy Harper. Nach und nach stößt der Rest der Band wieder zu den beiden. Ebenfalls kann hier Morse erneut beweisen, dass er nicht nur ein begnadeter Tastenvirtuose ist, sondern ebenso sehr die Akustikgitarre mit viel Gefühl beherrscht. Auch der Zugabenteil hat es mit "Bridge Across Forever" und "Stranger in Your Soul" in sich, mit vielen Gags wie Neal Morse an den Drums etwa, während Mike Portnoy in Peter-Gabriel-Manier auf Zuschauerhänden durch den Saal gereicht wird.
Bei den Extras gibt es einen Blick hinter die Kulissen und auf den Touralltag der Gruppe. Doku 1 ist ganz witzig und teils Wackelkamera ein kleines Roadmovie. Man bekommt auch ein Blick in den Proberaum und viel "Talking" und auch manchmal Geblödel. Und der Instrumententausch und ein kurzes "Smoke on the Water" ist genial... Gute Mischung aus Gags und Information. Auch das Interview (ca. 18 Min.) ist wirklich anhörens- und sehenswert. Leider mal wieder keine deutschen Untertitel !! Ach ja, das Musikextra "The Return Of The Giant Hogweed" ist umwerfend.
Fazit: Hier kriegt nicht nur der eingefleischte Transatlantic-Fan seine Vollbedienung, auch für den "normalen" Prog-Fan ist das Werk eine Empfehlung. Insgesamt gefällt mir die Musik von Transatlantic etwa besser als Flowerkings, denn es kommen einfach vier verschiedene musikalische Geister zusammen, die einen originären Sound erschaffen – klar, mit den üblichen Verdächtigen als Einflussquellen wie Yes oder Genesis –, aber das wird mit eigenen Ideen derart transformiert, dass dabei zeitlose Musik herauskommt. Ein größeres Lob gibt es wohl nicht. Und live wirken die Songs, trotz der Routine der Profis, nochmal erfrischender, flotter und mit dem Quentchen mehr Lebendigkeit, was den Studioversionen vielleicht manchmal abgeht. Und die Abstimmung der Stimmen aller fünf Musiker bei den mehrstimmigen Teilen ist astrein. Einfach klasse.
Technisch, denke ich, gibt es für den Hauptteil nichts zu bemängeln. Sehr gutes Bild, sehr guter Klang, eine gute und abwechslungsreiche Kameraregie, die zwischen Totalen, Nahaufnahmen und Details clever wechselt.