Lugansky durchleuchtet Rachmaninov
Nikolai Lugansky hat die Sammlung von 24 Preludes der opp.23 und 32 Rachmaninovs, mitsamt den schon über-populär bekannten in cis-, g- und gis-moll, quasi als Einstand für das Label 'harmonia mundi' neu eingespielt.
Pianistisch allemal hochkarätig, ohne allzu sentimentalische oder tastenakrobatische Über-Strapazen. Die Aufnahme klingt absolut betrachtet abgerundet und in sich stimmig und vermittelt einen schlanken Rachmaninov, dessen z.T. vielsagend-geschwätzige und gefühlige Schauseite nur moderat illuminiert wird.
Relativ gesehen, bewegt sich Lugansky dabei, besonders im Vergleich zur Preludes-Auswahl des musikalisch differenzierteren Richter oder dem dazu feinsinnig-raffinierteren Horowitz (oder auch Rachmaninov selbst) auf eher neutralem, weniger emotional beteiligtem Level, ohne gleich musikalisch anämisch zu wirken.
Insgesamt liegt seine Aufnahme zwischen der nach wie vor auch klanglich erstrangigen des jungen Ashkenazy, Mitte der 1970er! Jahre, der weitaus 'subjektiv'-engagierter agiert und dieser äusserst kaltprächtig-schnöden und nur rein pianistisch frappierenden Aufnahme von Alexis Weissenberg aus N.Y.
Und Dame Moura Lympany hat mit ihrer Einspielung Anfang 1970 ein überzeugendes Beispiel für einen pianistisch eher moderat-gepflegten, jedoch keineswegs musikalisch zu seichten, exquisit klangschönen (Salon)Rachmaninov gegeben.
In dieser Bandbreite spiegelt sich allerdings auch ein nicht nur Rach-typisches Dilemma, man denke an Tchaikovsky, nämlich das einer zumindest partiellen musikalischen Redundanz, die seinerzeit der wirklich grosse Musiker Claudio Arrau anlässlich eines Portraits in einem Gespräch mit Ingo Harden monierte, "...seine Sachen existieren für mich eigentlich gar nicht. Da ist so viel Improvisation - Millionen von Noten, mit wenig Sinn darin".
Im heutigen audio-visuellen Multimedia-Gedöns mag man solche Äusserung für antiquiert oder philisterhaft halten, Hauptsache doch schön klingt's, jedoch wirft sie ein Licht auf den Kern der Wahrheit, dass viele Grosse der Pianozunft, sich, wenn überhaupt, nur wenige der Preludes-Rosinen rausgepickt haben, weil damit womöglich schon alles gesagt ist ...?
Lugansky wird man deshalb keinen Vorwurf machen können, er ist ja nicht der einzige, durchaus noch jüngere russische Pianist, der Rachmaninov zu seinen Favoriten zählt, allerdings ist er kein Rach-spezialist, wie fälschlich auch schon geschrieben wird, dies belegt nicht nur sein unfangreiches Chopin-Repertoire, auch sein früher Mozart.
Kurzum, wer alle Rach-Preludes in einer a-jour-Aufnahme hören möchte, ist mit Luganskys erstklassig gespielten gut bedient.