Sokolov 2024 live
Als Grigory Sokolov in Paris Mitte der 90erJahre noch live produziert wurde (opus-111-production), waren seine Beethoven-, Brahms- und Chopin-Mitschnitte nicht mehr Geheimtips der Pariser Kulturszene, nach all den mehr oder weniger bekannten LPs russischer 'Melodia'-Produktion, war Sokolov Piano-Kult.
Seine frühen Pariser Aufnahmen offenbarten da schon Sokolovs eher tiefgründig romantische Sicht, primär akzeptabel bei Chopin und Brahms, weniger bei Beethoven-von den Diabellis abgesehen-, obschon es, rein pianistisch, kaum Einwände gibt.
Sokolov war und ist ein erstklassiger Pianist.
Nach der Universal-DG-Übernahme seiner Konzert-Tätigkeiten, die für ihn sicherlich lukrativer sind, beschränkt Sokolov sich, sichtlich gealtert, auf ausgewähltes Jahres-Tourney-Repertoire.
Schon sein Berliner Philharmonie-Auftritt 2013 offenbarte seine eigenwillige Sicht auf musikalische Fakten:
Schuberts spätere Klavierstücke sind durchaus noch akzeptabel, die zentrale 'Hammerklavier'-Sonate Beethovens wird allerdings doch romantisch-klangschön weit überzeichnet, ent-thematisiert, timing und Phrasierung sind vergleichsweise fragwürdig, wennauch vom Publikum bejubelt. Das Video ist aufschlussreicher.
Der nun neue DG-Mitschnitt zweier live-Konzerte bestätigt nur die Sokolov-Präsenz: subtil-introspektiver Interpretation.
Sein romantisierend schöner Zugriff auf klassisch-barockes Repertoire verleiht den Kompositionen durchaus verbindlichen Glanz, verfehlt allerdings deren musikalischen Ursprung: weder Purcell noch Mozart waren Romantiker: was hier so schön klingt, klingt falsch. Punktum.
Mozarts zurecht gerühmtes, singuläres, spätes 'Adagio in h-moll',
KV 540, ein wahres Kleinod, wurde m.E. zuletzt von Alfred Brendel kongenial gespielt, Horowitz nahms zwar klassizistisch streng, aber leider zu schnell und Sokolov leider eben zu romantisierend und zu langsam. Ein zwiespältiges Album: musikalisch-künstlerisch sehr gediegen-profund und zugleich eigenwillig-autokratisch.