Hartes Brot
Es ist ein hartes Brot, was Wendy Brown ihren Lesern anbietet. Und dazu trägt, dazu später, auch maßgeblich die deutsche Ausgabe bei. Auch engagierte Befürworter einer ANTI- neoliberalen Perspektive und im Geiste solidarisch mit WB werden sich mit dieser Schrift schwertun. Denn WB mäandert mehr als sie stringent argumentiert. Selten bringt sie ihre Gedanken auf den Punkt, hält eine Linie. Stattdessen schweift sie oft ab, diskutiert Details, die nur wenig zum Gesamtverständnis beitragen, bleibt bei ihren Ausführungen oft seltsam nebulös. In Kapitel IV will sie eigentlich den Begriff der „Governance“ zerpflücken, aber so recht gelingt ihr das nicht. Im Gegenteil: so wie sie es darstellt, scheint sie ungewollt FÜR Governance zu schreiben. So als habe sie es gegen Kapitelende bemerkt, stellt sie apodiktisch klar, dass Governance schlecht sei. Punkt.
Inhaltlich referiert sie im Wesentlichen über Foucaults Vorlesungen zur Biopolitik, was ihr dann, leider, ausgiebig Gelegenheit bietet zu mäandern. Ihr Anspruch: Foucault revidieren und erweitern in eine linke, marxistische Perspektive. In ihren Erweiterungen geht sie aber nur wenig, sehr dezent, über Foucault hinaus. Stattdessen gibt es einen Exkurs darüber, ob der „homo politicus“ weiblich ist. Dieser „homo politicus“ spielt in ihrer Argumentation eine wesentlich Rolle, wird er doch aus ihrer Perspektive durch den „homo oeconomicus“ übernommen. Sie fände damit ja jede Menge Befürworter, aber sie macht es ihren Lesern sehr schwer. Denn sie erklärt ihren Standpunkt einfach nicht, sondern setzt ihn quasi voraus. Und so wiederholt sich über die Schrift regelmäßig als Behauptung, was aber als Argumentation auszuführen wäre: die Vereinnahmung des einen durch den anderen. Und dass damit die Aushöhlung der Demokratie einhergeht. Wer die Geduld hat, den Text sorgfältig durchzuarbeiten, wird die folgenden Punkte festhalten können als ursächlich für die Aushöhlung der Demokratie: Governance, Humankapital, Dezentralisierung, Responsibilisierung, Leistungsvergleiche (benchmarking).
Sogar in ihrem Nachwort macht WB noch ein Fass auf und referiert über „Opfer“, besser zu verstehen als „victim“ und „sacrifice“. Beginnend bei Aristoteles endet auch dieser Exkurs (im Nachwort!) wieder bei Foucault. Um in ihrem letzten Appell an den Leser zu enden: möge dieses Buch dazu beitragen, dass die Aushöhlung der Demokratie gestoppt wird. Wohl an denn!
Zur Übersetzung. Diese schreckt zusätzlich ab. Wer mit Begeisterung Cicero übersetzt hat, der wird an den Bandwurmsätzen seine Freude haben (suche Subjekt, Prädikat, Objekt, bestimme die Casi und Zeiten und baue einen einigermaßen sinnvollen Satz daraus). Jedenfalls bin ich nach dreißig Seiten, als ich mich zunehmend dabei ertappte, wie ich den Text simultan ins Englische rückübersetzte, weil dadurch sich die Verständlichkeit besserte, gleich auf das Original umgestiegen. Der deutsche Text liest sich, als sei ein Übersetzungscomputer am Werk gewesen. (So wird, nur ein Beispiel, urverwandt von „Vernunft“ geschrieben, wo etwa „Kalkül“ oder „Theorem“ einfach sinnhafter wären, ganz zu schweigen von „Vernunft“ im Kantischen Sinne einer „Kritik der reinen Vernunft“ .) Und nur die gröbsten Kapriolen seien dann von Hand ausgebessert worden.
Achtung: Ironie. Unfreiwillig ist dieser Text dann noch ein schönes Beispiel für neoliberales Handeln aka Profitmaximierung. Ist er, gemessen am Inhalt, kein Sonderangebot.