Schwach
Berlin in den 1950er Jahren. Die ganz junge Henni lebt mit Mutter und Bruder zusammen im zerstörten Berlin in einer Kellerwohnung. Als sie ihre erkrankte Mutter auf einer Putzstelle vertritt, lernt sie Ed kennen - den Sohn aus reichem adligem Hause. Dessen Vater ist Arzt und macht für viel Geld Abtreibungen für reiche Frauen. Ed und Henni verlieben sich und Henni wird schwanger. Eds Mutter zwingt sie, das Kind abzutreiben. Ihre eigene Mutter unterstützt das, weil sie so an Geld kommt, um mit dem erkrankten Sohn an die Ostsee zu ziehen (es ist hier nie die Rede davon, dass Henni nachkommt, dabei ist sie noch nicht mal volljährig). Letztendlich bricht Henni die Schule ab und zwingt Eds Vater, ihr eine Ausbildung als Hebamme zu ermöglichen. Später richtet sie einen Geburtsraum ein und die erste Babyklappe, in dem Fall eine Kiste, von Berlin…
Das Buch hätte richtig gut sein können. Denn es ist ein wichtiges Thema und die Geschichte zur Erfindung der Babyklappe ist interessant. Doch leider ist etwas herausgekommen, dass ich mit viel gutem Willen allenfalls als schwach bezeichnen kann. Zum einen dreht sich einen Großteil des Buches nur um die Beziehung zwischen Ed und Henni. Henni ist wenigstens noch sympathisch, was sie allerdings an dem sehr egoistischen und wankelmütigen Ed findet, erklärt sich mir nicht (von der anfänglichen jungen Liebe mal abgesehen). Dazu kommen eine Menge Logikfehler. Ein Beispiel: Henni ist zu jeder Zeit telefonisch erreichbar, gleichzeitig ist sie aber auch ständig in der gesamten Stadt Berlin - Ost wie West - unterwegs. Sie unterhält die Beziehung zu Ed, bringt Kinder auf die Welt und irgendwie ist sie weder müde noch gestresst. Das passt nicht zusammen. Ein anderes Beispiel: Im Osten der Stadt wird sie quasi von Biene erpresst, die eine Freundin von Eva war. Die Geschichte mit Eva passierte aber, als Henni noch im Krankenhaus arbeitete. Damals hatte sie noch gar keinen eigenen Geburtsraum/Babykiste und wieso kommt Biene dann an ihre Adresse? Auch die Geschichte in der Gegenwart hat viel zu viele konstruierte Zufälle. Die einzige Person, die mir durchweg wirklich sympathisch und authentisch war, ist Marta. Auch die Gründe der Ost-West-Unterschiede in den Lebensbedingungen (Stichwort: Waschmittel z. B.) werden mit keinem Wort erwähnt. Im Westen ging es durch den Marshallplan sehr schnell aufwärts, der Osten hat noch lange Reparationen an die Sowjetunion zahlen müssen. Das alles hat mir mehr und mehr den Spaß am Buch genommen. Dazu kommt noch, dass durch einige Nebenstränge die Geschichte teilweise ziemlich langatmig wurde und gar nichts mehr mit dem Hauptthema Babyklappe zu tun hatte. Das bedauere ich, denn das Thema hätte viel mehr Tiefgang verdient. So spreche ich keine Leseempfehlung aus.