Weihnachtliche "Telemann-Schätzchen" - neu entdeckt und großartig eingespielt
Wer hätte das gedacht? Das ist ja echte Bach-Konkurrenz! Wer mal von Bachs Schwesterwerk - wenigstens für eine Zeit - genug hat, sollte nicht nur - nein, er muss sich hier bedienen. In der musikalischen Kunst stehen diese vier Oratorien (oder: Kantaten) denen von Bach in Nichts nach. Der entscheidende Unterschied liegt in der Textanlage: Telemann verzichtet auf eine fortlaufende Evangelien-Erzählung, sondern lässt seine Solostimmen allegorisch als Andacht, Freude, Ehrfurcht, Liebe, Glaube u.a. agieren. Dadurch ergeben sich schon textmäßig besondere Stimmungen, die Telemann mit größter Phantasie musikalisch gestaltet. Dinge, die man bei Bach bewundert, kommen auch hier vor, z.B. der Chorruf "Wohin?", den wir aus Bachs Matthäus-Passion kennen. Diesen kompositionstechnischen Kunstgriff (mit textlichen Variationen) kann Telemann auch: Man höre die 2.Arie mit Chor aus dem 1.Oratorium. Aufregend geht es weiter: Der Höhepunkt der ganzen CD ist sicherlich die Chor-Arie Nr.10 aus Teil 1. Da singen die versammelten Allegorien mit "Ruhe" und "Erwachen" ruhig und vehement kraftvoll gegeneinander. Ein musikalisches Meisterwerk! Ohnehin erscheint mir das erste Oratorium das musikalisch aufregendste zu sein. Aufregend ist die ganze Sache auch deshalb, weil Dirigent Willens mit seinen famosen Solisten und der Kölner Akademie sehr temperamentvoll, engagiert, textbezogen und auch sensibel und gefühlvoll musiziert. Man höre sich einmal den schlichten Schlusschoral aus Teil 2 an: Das ist höchste Gestaltungs- und Phrasierungskunst! Das Booklet entspricht dem hohen cpo-Standard. Da auch die Technik stimmt, die Empfehlung: Die CD gehört unter jeden Weihnachtsbaum!