Enzyklopädisch
Henning Ottmann, emeritierter Professor für politische Philosophie, legt mit diesem auf neun Bände angelegten Opus Magnus eine so genannte Große Erzählung vor, die zugleich auch Enzyklopädie ist. So erlaubt es jeder Teilband, sich schnell und zuverlässig, zu einem umgrenzten Teilgebiet zu informieren und über das jeweils äußerst umfassende Literaturverzeichnis weitergehend, vertiefend weiter zu arbeiten. Wirklich neue Forschungserkenntnisse sind nicht zu erwarten, dafür aber ein fundierter Einblick in den zum Zeitpunkt der Drucklegung aktuellen Forschungsstand. Kleine Kurzportraits am jeweiligen Kapitelende fassen die wichtigsten Daten zu den behandelten Personen prägnant zusammen. Dabei lässt Ottmann nie eine erfrischende kritische Distanz vermissen, auch zu den Philosophen, zu denen er eine engere Affinität hat als zu anderen (Platon, Seneca, Nietzsche, Hegel etwa).
Dieser Band, im Untertitel „das Zeitalter der Revolutionen“ konzentriert sich auf die amerikanische Revolution und ihre wesentlichen Protagonisten (Jefferson, Adams, Franklin) sowie auf die französische Revolution und ihre Wirkung auf Europa. Aus Ottmanns Sicht wird klar, dass er die amerikanische Revolution als Blaupause betrachtet für die französische. Wahrscheinlich ist die Situation so eindeutig nicht, denn immerhin waren es (auch) französische Philosophen (Rousseau, Montesquieu), die den intellektuellen Boden für Jefferson & Co bereiteten. Gerade auch bei Jefferson und den übrigen Gründervätern der USA wird klar, in welchem Widerspruch sie lebten: selbst Sklavenhalten und feudale Grundbesitzer dozieren sie über Menschenrechte. Ein weiteres großes Kapitel ist dem deutschen Idealismus gewidmet, gewissermaßen die Stärke von Ottmann: Kant, Fichte, Hegel. Auch hier, und gerade bei der Behandlung von Kant wird die große Sorgfalt von Ottmann deutlich: Kant wird immer auf dem Hintergrund seiner Zeit behandelt und die logischen Brüche und Widersprüchlichkeiten, aber auch die thematische Entwicklung klar herausgearbeitet (z.B. im Vergleich von „Zum ewigen Frieden“ vs. „Metaphysik der Sitten“.
Ein Bonbon stellt die Sichtung der Werke von Goethe und Schiller (der politischere von beiden) in politischer Perspektive dar.