angelesen und abgewählt
Ja, auch ich habe unbewusst auf das Erscheinen dieser Biografie gewartet. Die Betrachtung des für Deutschland wichtigen, damals omnipräsenten Berufsrevolutionärs erscheint endlich wie ein Stern am Firmament der üblichen Erscheinungen auf dem Büchermarkt. Ich habe nach der Rezension in unserer örtlichen Zeitung sofort zugegriffen und mich gleich auf die Publikation gestürzt. Auch ich will erfahren und nachvollziehen, da im Osten aufgewachsen, habe dabei als kleiner Stöpsel die Verkündung von Ulbrichts Tod bei den Weltfestspielen 1973 im Radio gehört. Ja, nun endlich, hurra. Aber leider, nein. Nach den einleitenden Worten Kolwalczuks an Uwe Lehmann erwarten den Leser zwar die erfrischenden ersten, persönlichen Zeilen zum Anlass des Schreibens einer Biografie. Bereits jedoch ab Seite 14 erwarten den Leser Worte wie Leser*innen, Biograph*innen und ähnliches. Der Lesefluss wird dabei jedes Mal gestoppt. Man fragt sich nun stets, warum immer diese sexualisierte Sprache verwandt wird. Soll Gerechtigkeit erreicht werden? Damit? Ist es nicht wieder eine Form der ideologisierten Sprache, die immer nur das Gute will? Wurde Klemperers Lingua Tertii Imperii gelesen? Fazit: Eine Publikation, die gendert, kann für mich nicht als wissenschaftliche Leistung wahrgenommen werden. Ich gebe das Buch nun zurück, dies einfach mit dem Trost, dass meine Lebenszeit nicht ausreichen wird, die Literatur zu lesen, die das generische Maskulinum kennt. Ach Herr Kowalczuk, wären doch all die fein gesetzten Worte ab Seite 170 zu Bildung, Propaganda und Sprache in Fleisch und Blut übergegangen. Vielleicht fürchte ich mich im dicken Wälzer auch nur vor der Formulierung Pionier*innennachmittag.