sehr gute Arbeit!
Vorneweg:
Wenn Sie nicht die japanischen CDs (nicht alle halten der neuen Box Stand - z.B. nicht Mozart und Haydn) oder die SACDs (alle mir bekannten sind bisher einfach unschlagbar - vielleicht bis auf den etwas zu bedeckten Sommernachtstraum Transfer) haben, sondern die erste oder zweite Klemperer Edition oder die schwarzen Boxen, dann haben Sie mit den neuen Transfers der Box wohl uneingeschränkte Freude.
Das Klangbild ist tendenziell manchmal etwas hart und eher hell (wie ja von Art & Son Studio bekannt), aber (bis auf die Mozart 40te von 1956) m.E. obere Liga (was Klarheit und besonders Intonation angeht - vergleichen Sie mal die schwarze Beethoven Box und die neue mit den ersten vier Einleitungstakten der Beethoven 1ten! Endlich stimmen die Holzbläser...) bis herausragende CD-Qualität. Bässe fehlen übrigens nicht und die Klangpyramide passt.
Klemperer war ja sehr auf Durchhörbarkeit, Farben und rhythmisch-harmonischen Geschehen bedacht und ich denke er hätte sich über diese Ausgabe gefreut. Auch wegen der wie gesagt deutlich besseren Intonation - und das Philharmonia / New Philharmonia Orchestra leistet da Unglaubliches. Klemperers Aufnahmen waren und sind auch weiterhin nicht zum zurücklehnenden Genießen gedacht. Sie sind immer eine Herausforderung für die sinnliche Wahrnehmung (so viele klangliche Phänomene und Details), den Geist (des Werks und des Hörers) und die Reflexion (über Werk und Wahrnehmung).
Das sehr dünne Booklet ist wieder mal nur auf wenige eher nichtssagende und sogar Vorurteilen (erratischer Felsblock und so ein Schmarrn) Vorschub leistende Sätze beschränkt, aber es gibt einige nette Fotos. Alle Infos sehen aber auf den CDs selbst. Hüllen sind OK, die Infos zu den Aufnahmen vollständig und übersichtlich, die Drucke recht gut - über das Warner-Zeichen reg ich mich nicht mehr auf. Es ist zumindest klein und das plakative deutsche rote EMI war auch keine optische Freude. Ach ja, es gibt auch kleinere editorische Fehler, weiß grade nicht mehr wo - geschenkt...
Die Platte mit der 2ten Sinfonie und dem 7ten Streichquartett von Klemperer klingt phantastisch - die anderen Werke (2 CDs, alles Endsechziger) sind sehr gute Transfers von Stereo Aufnahmen in Studioqualität (EMI Equipment und Techniker) - wahrscheinlich Klemperer zuliebe gemacht. Ein paar Sachen sind einfach quasi live "durchgespielt". Das New Philharmonia Orchestra zeigt, dass doch Originalität und Sinnlichkeit in den Stücken steckt...
Mir ist beim intensiven Hören und Reflektieren über Klang, Interpretation und Werken klar geworden, wie sehr ich selbst so manchen Narrativen bezüglich Klemperer aufgesessen bin - wobei ich denen sowieso schon immer kritisch gegenüber war. Ich weiß nicht mehr, bei welchem Hören ich so oft Lust hatte überrascht in die Partitur zu schauen um zu sehen was da steht. So frisch und neu klingen viele Werke - und das bei den meisten Werken, egal ob Mozart, Beethoven, Tschaikowsky, Bruckner, Mahler oder Strawinsky. Ich habe KEINE Interpretation gefunden, welche bezüglich Verständnis oder Ansatz oder Tempo(!) oder Ausarbeitung - geschweige denn vom Orchesterspiel und den Orchestersoli (Holz Blech) - nicht vorbildlich zu kennen wäre. Immer wieder hat mich die Intonation und ganz besonders die bewusst empfundene und sauber ausgehörte Enharmonik fasziniert.
Otto Klemperer zählt absolut zu den bedeutendsten Dirigenten und er ist in seinem Ansatz der Durchdringung - um Haydns Wort zu verwenden - "original". Effekte entstehen aus der Musik selbst, die Idee des Werks bestimmt alles - und mit Idee meine ich das dem Werk kompositorisch Eigene, die Struktur, der Aufbau und die beabsichtigte Wirkung des Werks aus sich selbst heraus, nicht hineingedacht. Nichts ist da "machend" hinzugefügt. Die Holzbläser bekommen eine Bedeutung, welche sonst kaum je zu hören ist (vielleicht noch bei Wyn Morris). Deren Harmoniemusik ist nicht nur Farbe, sondern oft auch Gerüst und manchmal faszinierende Befremdlichkeit. Das rhythmische Geschehen entsteht durch die Musiker in dem klar vorgegebenen Rahmen vielfältig und quasi ganz natürlich von selbst. 95% seiner Aufnahmen würde ich nicht als langsam bezeichnen, weil das Tempo völlig mit musikalischem Geschehen ausgefüllt ist. Das zeigen die neuen "analytischen" Transfers auf ganz wunderbare Weise. Zum Beispiel bei dem klanglich und interpretatorisch schlackenlosen Haydn und Mozart.
Die Mahler 7te ist tatsächlich die einzige Aufnahme, welche in ihrer erfrischenden Extravaganz Widerspruch reizen kann und immer wird. Aber ich finde das, was dort besonders im Kopfsatz geschieht unglaublich faszinierend. Es ist eine Art des Musizierens die ich sonst noch nie gehört habe. Man muss natürlich andere Aufnahmen der 7ten kennen, aber diese wollte ich seit 45 Jahren nicht mehr missen. Die Bruckner 8te hat halt leider die Schnitte im Finale. Aber bei so viel Werktreue sei Klemperer diese Eigenwilligkeit, von deren Richtigkeit er ja wohl überzeugt war, verziehen.
Die frühen Berliner Aufnahmen sind allesamt im Transfer sehr gut gelungen. Das, was dort an Aufnahmen fehlt ist in der DG Box Staatkapelle Berlin und ein zwei Einzelveröffentlichungen zu finden. Die Testament Box mit den frühen Aufnahmen sollte man nicht mehr suchen, war klanglich auch in ihrem Purismus schon recht grenzwertig...
"Nicht-Offizielles" gibt es kaum: den ersten Satz der Schubert 4ten (mir ist irgendwie klar, warum Klemperer die Produktion abbrach), der erste Satz des Hindemith Hornkonzerts mit Dennis Brain, die Gluck Anacreon Ouvertüre und die auch von Testament veröffentlichen Aufnahmen von Petruschka und die live Beethoven 9te vom 15.11.1957.
Das akustische Klemperer-Portrait von Tolansky ist gegenüber der schwarzen Box (20th Century) gekürzt und verändert. Klemperer selbst ist nur im kurzen Probenausschnitt zu Don Giovanni zu hören... Ich denke, da hat nach sich manches für die wohl im Herbst folgende Vokalmusik und Opern Box aufgehoben. Es ist insgesamt gesehen die Art & Son Arbeit, bei der ich am allerwenigsten auszusetzen habe.
Für Hörer, welche keine japanischen SACD-Ausgaben haben, würde ich fünf Sterne geben, für die Kenner dieser Transfers (ist ja nur ein Bruchteil der Aufnahmen) mindestens vier Sterne. Die japanischen CDs sind oftmals (außer der 40ten Mozart 1956) nicht besser - nur etwas weicher und verhangener oder mit etwas mehr "Dampf" im Klang - oft aber zu dem Preis von schlechterer Balance, weniger Höhen und verfärbtem Klang.
Von mir eine ganz klare Empfehlung :-)