Besser geht es nicht, wieder einmal: großer Dank an die Emil Berliner Studios (und Fremdscham für die DG)
Um mit dem provokanten Schluss der Überschrift zu beginnen, ist es notwendig, sich einen kurzen Überblick über die jüngere Bearbeitungs- und Vermarktungsgeschichte dieses besonderen Aufnahmezyklus zu verschaffen. Ich beschränke mich dabei auf die sogenannten "hochauflösenden" Ausgaben, also die Formate, die eine höhere (technische) Auflösung als die CD (= PCM 16/44.1) bieten. Im Rahmen der "Originals-Reihe" wurden diese Aufnahmen bereits um das Jahr 2003 neu remastert mit einer Auflösung von 24bit/96kHz. Dieses Remastering bildete die Grundlage für eine SACD-Ausgabe (Hybrid-SACD), die 2003 erschien. Allerdings wurde auch für alle weiteren hochauflösenden Ausgaben - sei es als Download oder auf BluRay - immer dieses 2003er Remastering verwendet. Und zwar über 15 Jahre hinweg. So fand dieses mittlerweile 17-jährige Material auch noch Verwendung in der DG-Mega-Box mit allen Karajan-Aufnahmen, der aktuellen DG-Beethoven-Edition und den aktuellen BluRay-Ausgaben.
Soviel zum Sachstand der Vermarktung bei der Deutschen Grammophon/Universal.
Dass die (von der DG/Universal unabhängige) Universal Music Japan LLC seit Jahren hinsichtlich qualitativ hochwertiger Remasteringarbeiten andere Wege beschreitet, dürfte sich auch außerhalb Japans langsam herumgesprochen haben. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die neueste Veröffentlichung der Universal Japan sich des 1963er Karajan-Beethoven-Sinfonienzyklus angenommen hat. Die Originalbänder wurden im Februar 2020 bei den Emil Berliner Studios nach Reinigung und Restaurierung neu digital (24bit/196kHz) abgetastet und für SACD remastert.
Das Ergebnis liegt nun in Gestalt von 4 + 1 SACD (Single-Layer, daher nur auf SACD-Player abspielbar) vor. Die 5. SACD enthält als Bonus das Violinkonzert mit Christian Ferras von 1967.
Und? Wozu nun die lange Vorrede? - Wie klingt denn nun das neue Remastering?
Mein Höreindruck: unglaublich gut! Die bisher an vielen Stellen zu hörenden altersbedingten Bandschäden konnten vollständig eliminiert werden. Der Gesamtklang ist deutlich direkter geworden. Man ist als Hörer jetzt noch näher herangerückt. Der Klang wirkt z.T. deutlich weniger hallig und gewinnt damit an Detailreichtum und Transparenz. Ganz offensichtlich wurde bei (allen!) früheren Remasterings zusätzlicher Hall als gutgemeinte Klangverbesserung verwendet. Diese Neuausgabe ist von dieser Art "Kleister" nun befreit.
Als Beispiel für die verblüffende Restaurierung der Bänder mag der 2. Satz aus der 1. Sinfonie dienen. Die ersten Minuten sind geprägt von teilweise deutlichen Tonstörungen. So kommt es bei ca. 1:35-1:50 (beim ersten Einsatz der Pauke) zu deutlichen Verzerrungen/Störungen. - All' das ist nun definitiv nicht mehr zu hören. Weg. Verschwunden. Beeindruckend!
In der 9. Sinfonie wird im Finalsatz deutlich, dass auch neu abgemischt wurde. Und auch hier ging das Abmischen offenbar nicht in Richtung Effekthascherei (wie auf früheren Ausgaben), sondern es wird die ursprüngliche Klangbalance zwischen Orchester, Chor und Solisten wieder hergestellt. Das klingt nun wirklich organisch, natürlich und in sich stimmig.
Es ist wirklich verblüffend, wieviel noch aus den alten Bändern herausgeholt werden konnte! - Und hier komme ich nun wieder an den Anfang zurück: warum ist/war es der hiesigen DG/Universal nicht möglich, einer ihrer wichtigsten Tondokumente überhaupt ein aktuelles, hochwertiges Remastering zukommen zu lassen? Offenbar ist es einfacher (und profitabler) möglichst viele alte Aufnahmen zusammen mit neuen Produktionen in - je nach Anlass und Thema - optisch attraktive Boxen zu stecken. Hochwertige Remasterings, wie sie die Japaner bei den Emil Berliner Studios oder ClassicSound erstellen lassen, würden da offenbar nur stören und den Gewinn unnötig schmälern. (Den meisten fällt es ja ohnehin nicht auf... Hauptsache schöne Cover!)
Fazit: in der vorliegenden Form gewinnt das "alte Schlachtross" der Beethoven-Sinfonien-Aufnahmen eine überwältigende Frische und Direktheit. Der Klang wirkt schon alleine durch die nicht mehr hörbaren Band-/Tonschäden kaum noch "historisch", sondern erstaunlich "modern".