Das Beste kommt zum Schluss
Mit dieser Box vollendet Hänssler Classic seinen „Heidelberger“ Haydn-Sinfonien-Zyklus, der nach dem tragischen Unfall des Dirigenten Thomas Fey von Johannes Klumpp fortgeführt wurde. Ich höre und liebe seit 30 Jahren Haydns Sinfonien, lernte sie in der unvermeidlichen Gesamtaufnahme Antal Doratis kennen. Seitdem sind eine Vielzahl weiterer CDs mit Haydn Sinfonien bei mir zusammengekommen, so auch die hier zum Abschluss gekommene Gesamtaufnahme der Heidelberger Sinfoniker.
Ich habe lange auf diese letzten Aufnahmen gewartet, denn diese Box enthält gerade die Sinfonien Haydns, die oft und gerne zu Gunsten der Pariser und Londoner Sinfonien übersehen werden. Dabei sind gerade die Nummern 61-81 (ausgenommen: 64, 65, 72 – diese gehören in frühere Schaffensphasen), insbesondere die 6 Sinfonien 76-81 von einer so verschwenderischen melodisch-harmonischen Vielfalt und Kreativität gekennzeichnet, die selbst von den späteren Werken längst nicht immer übertroffen werden. Vor allem aber verbindet diese Gruppe streckenweise ein eigenwilliger, bisweilen etwas melancholisch wirkender Tonfall, der sich in den späteren Werken nicht mehr wiederfindet. Deutlich wird das beispielsweise in Passagen, die melodisch von den Oboen und Flöten bestimmt werden (z.B. Finale der Sinfonie Nr. 71).
Doch damit muss ich nun konkret auf die vorliegenden neuen Aufnahmen eingehen, denn die Aufnahmetechnik bzw. das Klangbild trägt ärgerlicherweise nicht dazu bei, dass man in den vollen Genuss gerade der Holzblasinstrumente – vor allem in Tuttipassagen – kommt. Nach meinem Eindruck klingen die Aufnahmen ein wenig zu distanziert und erinnern mich von der Akustik her eher an ein halliges, gekacheltes Badezimmer. In Tuttipassagen verwischt der Klang deutlich, dabei gehen vor allem die Oboen und Flöten in einigen Fällen völlig unter. Das ist bedauerlich, denn so kommt man nicht in den Genuss der teilweise reizenden kleinen Melodien, die Haydn den Holzbläsern anvertraut hat. Beispiel: Sinfonie Nr. 66, 1. Satz, in der Reprise haben die Oboen eine kurze eigenständige Phrase, die hier nicht zu hören, bzw. allenfalls nur zu erahnen ist, wenn man das Stück schon in anderen Aufnahmen kennt oder die Noten zur Hand hat. Das ist aber nur eines von zahlreichen Beispielen. Weniger problematisch wird es in leiseren Stellen.
Eine weitere – aus meiner Sicht eher negative – Eigenheit dieser Aufnahmen stellt die Behandlung von Vorschlagsnoten dar. Klumpp lässt die Vorschlagsnoten tatsächlich nur als ganz kurze Noten spielen, was an einigen Stellen zumindest für mich etwas gewöhnungsbedürftig (holprig) klingt. Vermutlich hängt es mit meinen Hörgewohnheiten zusammen, da die von mir geschätzten Haydn-Zyklen von Antal Dorati und Christopher Hogwood die Vorschlagsnoten so behandeln, dass der Vorschlag und die Hauptnote den gleichen Notenwert erhalten, was meiner Ansicht nach zu einem flüssigeren melodischen Verlauf führt.
Wenn man vom etwas distanziert wirkenden, hallig-verwaschenen Klangbild (vor allem in den Tuttipassagen) einmal absieht, ist gerade diese Box eine Fundgrube für alle, die den reifen und dennoch eher unbekannten Haydn kennenlernen möchten.
Von diesen Aufnahmen werde ich vor allem die Sinfonien 78-81 als Ergänzung zu Hogwood und als Alternative zu den Gesamtaufnahmen von Antal Dorati (klanglich und spieltechnisch nicht mehr konkurrenzfähig) und Dennis Russell Davies (klanglich exzellent) hören.