Kaufmann in trono al ciel
Man koennte sich vom Enthusiamus tragen lassen ob der Tatsache, dass Warner das finanzielle Risiko wagt, eine Studiogesamtaufnahme mit dem derzeitigen "Traumpaar" der Oper herauszubringen, und sich nicht damit begnuegt, den reichen EMI-Katalog zu verwalten. Ich habe keinen Zweifel, dass sich diese Veroeffentlichung letztendlich verkaufen wird, denn die Namen auf dem Etikett ziehen nicht nur sondern sie halten auch, was sie versprechen.
Allen voran Jonas Kaufmann, der sich als Radames hinter keinem seiner namhaften Rollenvorgaenger, sei es Bjoerling, Bergonzi, Vickers oder Domingo verstecken muss, schon garnicht hinter Del Monaco und Corelli. Obwohl er sich vom Timbre her deutlich von Domingo unterscheidet, teilt er mit dem letzteren die Tendenz, mit fortschreitenden Alter besser zu werden, sogar im Forte der hohen Lage. Beide, Kaufmann wie Domingo sind in der Lage, in hochgelegenen Fortestellen, die Stimmtrompete herauszuholen (Ende des dritten Aktes "Sacerdote, io sono a te"). Aber Domingo hat selbst auf Platte nicht erreicht, was Kaufmann hier gelingt, naemlich den Piano-Ausklang am Ende seiner Arie noch mit einem Diminuendo zu kroenen. Das ist gewiss ein Studio-Produkt, aber kaum ein Dirigent wird es dem derzeitigen Tenorissimo verweigern, wollte er dies auf der Buehne wiederholen. Kaufmanns andere grosse Tugenden sind die sehr ausgeglichene, baritonale Mittellage und seine Faehigkeit, die Diktion eines Liedersaengers mit einzubringen. Das letztere erlaubt ihm, selbst in einer angelernten Sprache Nuancen zu setzen, ueber die selbst Italiener hinwegsangen.
Das gleiche gilt fuer Anja Harteros, deren Stimme fuer Aida eher untypisch ist. Die Nuancen, die sie besonders in den intimeren Passagen, z.B. ihrer Arie im 3. Akt, einbringt, sind selten von grossen Stimmen zu hoeren. Insgesamt ist Harteros Aida sehr jugendlich und leichtgewichtig, aber man hat nie den Eindruck, dass sie in irgendeiner Stelle mit der Rolle ueberfordert waere. Gewiss hilft ihr Pappano dabei, und die Aufnahmetechnik ebenso.
Trotz Harteros und Kaufmann bringt die grosse Szene des dritten Aktes Aida/Amonasro/Radames eine gewisse Enttaeuschung. Es handelt sich hier nicht nur um Stimmduelle sondern um hochinteressante verbale Auseinandersetzungen, und man sollte hier die Aufnahmen mit Callas/Gobbi/Tucker (EMI unter Serafin), Milanov/Warren/Bjoerling (RCA/Perlea) oder Callas/Taddei/delMonaco heranziehen, um zu sehen, um was es geht. Gewiss greife ich hier nach ganz oben, aber die Neuaufnahme siedelt sich auch dort an: Es ist Ludovic Tezier, der leider nicht von Pappano und der Aufnahmetechnik in der Killerrolle des Amonasro geschuetzt wird. Ins Forte gezwungen, verblasst die Stimme und geraet ins Tremolieren. Tezier, der sich zunehmend in grosse Verdi-Baritonrollen stuertzt, sollte merken, dass er seine Stimme ueberfordert. Die Stimme staendig zu verdunkeln, um einen sinistren Charakter hervorzuheben, hilft eben nicht, stimmliche Nuancen einzubringen, sondern es fuehrt zu einem eindimensionalen Klang. Tezier, der sich in seiner schoenen Mittellage garnicht mal so sehr von Kaufmann unterscheidet, sollte zumindest zeitweise leichtere Fach Donizettis zurueckkehren. Die Hoehe, besonders die forcierte, ist nicht seine Sache.
Gewiss ist diese Einschraenkung eine relative, denn ob die ueblicherweise bruellenden Amonasros (man hoere Protti, McNeil, Merrill, Nucci etc.) eine bessere Loesung bieten, sei dahingestellt.
Die Amneris Sementchuks hat ein leicht gutturales slawisches Timbre, ist aber genau richtig eingesetzt, und ohne die Schaerfen so manch anderer russischer Mezzos.
Pappano setzt, aehnlich wie Karajan es vermochte (wenn er wollte), auf eine eher kammermusikalische Klangebene, und erlaubt somit den Saengern eine lyrische Darbietung. Dies gewiss nicht im Triumphmarsch, der mich wegen des langsamen Tempos und gewisser orchestraler Defizite eher enttaeuscht.
Insgesamt eine sehr gute Aufnahme, aber vor allem die beste Aida seit mindestens dreissig Jahren.
Bravo, und weiter so !