Breitgefächertes Repertoire, und so sollte es auch weiter gehen ...
Wie schon in seinen vorherigen Recitals präsentiert uns Micheal Spyres ein Programm abseits des Mainstreams. Dieses Mal sind gar Ausschnitte aus deutschsprachigen Opern dabei, nicht nur von deutschen Komponisten, und wir dürfen wieder Entdeckungen machen. Wie auch schon zuvor trumpft seine Stimme dort, wo es aussergewöhnliche technische Hürden zu nehmen gibt. Es ist nicht das Timbre, was bei Spyres aussergewöhnlich ist, sondern der Stimmumfang über mehrere Register, mit technischer Meisterschaft. Am besten sollten ihm eigentlich technisch anspruchsvolle Charaktertenor-Rollen liegen, wie Mozarts Idomeneo und Titus, Verdis Arrigo in der Sizilianischen Vesper, Meyerbeers Tenorrollen, Rossinis Otello etc etc. Das französische Repertoire liegt ihm ebenso, sogar die Rollen vom Typ "tenore di forza", wie Pollione aus Norma.
Die grossen Bühnen wollen Spyres aber mittlerweile im Standard-Repertoire sehen und hören, was erklärt, dass er sich nun auch an deutsche Rollen wie Florestan, Max und Lohengrin wagt. Die Aussprache ist gut einstudiert, es fehlt aber bei der Artikulation an einer gewissen Härte, die die deutsche Sprache nun einmal hat. Das ist nicht weiter tragisch, doch fehlt es Spyres' Charakteren dadurch -- und trotz hohem Niveaus -- an den Ecken und Kanten.
Wie gesagt, ich würde ihn viel lieber in dem breitgefächerten Repertoire abseits des Mainstreams hören. Wagner darf er ruhig sein lassen. Seien wir froh, dass es einen solchen Sänger gibt, der schwierige Rollen singen kann und uns dadurch gute Interpretationen von Werken abseits des Grundrepertoires bietet.