Großtat eines Unterschätzten
Nach gängiger Meinung hat Paul Badura-Skoda nie zu den ganz großen Pianisten gehört. Technisch zu unzuverlässig, so die Einschätzung, und in der Darstellung zu pauschal. Nun kann freilich nicht jeder ein, sagen wir: Svjatoslav Richter sein, und Richter, auf seine Art sowieso unerreichbar, ist auch nicht das Maß aller Dinge. Sonst könnten wir den Laden gleich abschließen und den Rest vergessen.
Badura-Skoda also. In der Tat muss man damit rechnen, dass es hin und wieder zu kleinen Wacklern in Tempo oder Rhythmik kommt, dass schnelle Läufe etwas schlampig gespielt, einzelne Noten verhuscht werden. Aber Badura-Skoda hatte ein untrügliches Gespür für die Musik von Mozart, Beethoven, Schubert. Und darum ging es ihm auch: um die Musik, weil er der Auffassung war, dass alles, was eine Komposition aussagen soll, in der Komposition auch enthalten ist. Man könnte von einer gewissen Unverfälschtheit oder gar Schlichtheit sprechen, in einem positiven Sinne. Keine Ego-Trips, kein Gedonner, keine Messen der Langsamkeit, keine Hochgeschwindigkeitsrekorde, keine emotionalen Tiefen, die künstlich noch tiefer gebohrt werden, keine emotionalen Höhen, die künstlich noch überhöht werden, keine Schönheit, die überzuckert wird. Einfach die Musik.
Wer sich auf Badura-Skoda einlassen will, sollte nicht Vergleiche nach kurzer Zeit anstellen. Erst im Laufe des längeren Hörens wird sich erweisen, dass auch sein Beethoven all das enthält, was diese Musik hat und braucht: Poesie, Wärme, Kraft, Leidenschaft, Aufbegehren, Verzweiflung – aber das alles unverfälscht, ohne Exzesse.
Bedenkt man dies alles, darf man Badura-Skodas Einspielung der Beethoven-Sonaten auf historischen Instrumenten als nach wie vor gültige Großtat bezeichnen. Sie ist es auch deswegen, weil die Aufnahmetechnik den Instrumenten gerade so viel Raumhall zugesteht, wie diese brauchen, um ihre akustische Eigenart entfalten zu können. Sie ertrinken aber nicht im Hall einer leeren Kirche, wie es beispielsweise bei Ronald Brautigam der Fall ist (der gemessen an Badura-Skoda natürlich der flinkere und bessere Techniker ist, aber auch nicht mehr).
Dass diese Gesamteinspielung jetzt (endlich) wiederveröffentlicht wurde - auch das ist eine Großtat.