Lovecraft in Bestform
„Der Bluthund“ gehört meiner Meinung nach zu Unrecht zu Lovecrafts unbekannteren Geschichten, und es ist schon deshalb ein Lob an Titania Medien auszusprechen, dass diese Story endlich wieder das Tageslicht erblicken darf. Hierbei möchte ich die Leistung von Skriptautor Marc Gruppe hervorheben, der aus der etwas unmotivierten Vorlage von Lovecraft ein packendes, düsteres und vor allem nachvollziehbares Ganzes gezaubert hat. Die knappe Stunde Hörzeit vergeht wie im Fluge, und Gruppe ergänzt das Fragmentarische in der Vorlage derart unaufdringlich, dass zwar die vom Label stets betonte Werktreue bestehen bleibt, aber die Charaktere greifbarer werden. Es sind gerade einmal zwei Schauspieler (und zwar hochkarätige, nämlich Patrick Bach und Jonas Minthe), die durch die Handlung führen (wenn man den Bluthund selbst mal außer Acht lässt), und beide dargestellten Figuren sind grundsätzlich keine sympathischen Zeitgenossen. Dennoch gelingt es Gruppe, dass man mit ihnen mitfiebert und ihnen nicht unbedingt wünscht, was sie sich selbst einbrocken.
Während ich in Lovecrafts Vorlage nie wirklich in der Lage war, mich mit den Figuren auch nur von Ferne zu identifizieren und mitzufiebern, gibt mir Marc Gruppe hier die Chance dazu, indem er das doch sehr merkwürdige Verhalten der Figuren zumindest begründet. Während bei Lovecraft ganz beiläufig erklärt wird, dass überdrüssige Studenten eben manchmal auf die Idee kommen, Gräber zu plündern, erklärt Gruppe ihr Verhalten als eine Art Vergötterung ihrer „männlichen“ Verwegenheit, in die sie sich hineinsteigern und sich daran „aufgeilen“, wobei sie sich zum Höhepunkt hin sogar noch ganz klar vom damaligen Klischee-Frauenbild abzugrenzen versuchen, während sie ganz „unmännlich“ vor Angst schlottern. Mit zwei Schwächlingen, die auf erbärmliche Art versuchen, Helden zu spielen, kann ich bei allem Befremden doch mehr anfangen als mit Lovecrafts kompletter Erklärungsverweigerung.
Auch ansonsten weist die Geschichte alles auf, was man braucht, um sich ordentlich zu gruseln. Einen Kampf ums Überleben, übersinnliche Mächte, die eben dieses Überleben verhindern wollen, nächtliche Käuzchenrufe, die das Unheil heraufbeschwören, Werteverfall, der gesühnt werden muss, Hybris, die zum Fall führen kann, Alpträume, die keine sind, und dazu atmosphärische Geräusche und düstere Musik. Besonders gruselig fand ich das Jaulen des Hundes im Hintergrund. Wie ein roter Todesfaden zieht es sich durch das Hörspiel und erinnert so nervenzehrend an das nahende Verhängnis, wie ein Blut tropfender Wasserhahn. Das Warten auf diesen Lovecraft hat sich definitiv gelohnt. Ein neues Highlight in der Reihe, das ich gerne weiter empfehle.