Magier reisen anders
Wow, der Auftakt ist schon großes Kino: Historisch knisternder Ton kündigt den bekannten Harry Houdini an, der dann höchstselbst vor dem Publikum sein Erlebnis in Kairo zum Besten gibt. Ein sehr geschickter Kniff für Regisseur Marc Gruppe, um geschickt zwischen Erzählpassagen und Spielszenen hin- und herwechseln zu können.
Die Geschichte, die Titania Medien im Jahr des 150. Geburtstags des bekannten Magiers vertont haben, ist eine ehemalige Auftragsarbeit seitens Houdinis, die kein Geringerer als H. P. Lovecraft ausgeführt hat. Houdini, der in seiner Zeit ein wahres Genie der Selbstvermarktung war und vermutlich jedem Influencer heute Konkurrenz geboten hätte, gab bei Lovecraft vor, die Geschichte selbst erlebt zu haben. Gleichzeitig gab er Lovecraft aber viel Spielraum für dessen eigene Phantasie. Eine Win-Win-Situation für beide, und nachdem Houdini bereits Filme aufgenommen und unzählige Auftritte absolviert hatte, konnte er nun auch seine eigene Geschichte vermarkten. Im Hörspiel wird die Erzählung von Matthias Lühn als Houdini quasi im Rahmen eines Spektakels höchstselbst vorgetragen, wobei das Publikum keinen Raum bekommt, um die Geschichte nicht zur Sitcom abfallen zu lassen.
Sehr schön ist auch die Idee, dass die Sprecher von Houdini und seiner Gattin Bess (Fabienne Hesse) auch im Sherlock Holmes-Hörspiel mit dem Fall Houdini ihre identischen Rollen spielen. Wer wie ich beide Hörspiele besitzt, muss sich auf diese Weise nicht umgewöhnen. Die Geschichte spielt in Kairo und klingt auch so. Wie immer passen die Geräusche perfekt und erzeugen eine stimmige Reiseatmosphäre. Natürlich muss man die teilweise klischeebehaftete Beschreibung Kairos und des betrügerischen Fremdenführers in die Zeit von vor 150 Jahren einordnen, trotzdem habe ich kurzzeitig geschmunzelt, wie aktuell die Darstellung doch teilweise schon war, wenn man zuvor „Achtung Abzocke“ angeschaut hat. Die Houdini-Figur selbst als Erzähler spielt mit den Elementen Realität und Fiktion so bewusst wie bei den Entfesselungstricks, die ja einerseits Tricks sind, und andererseits wie Zauberei wirken sollen. Alles kann sich genauso zugetragen haben, oder eben der Phantasie entsprungen sein.
Ich möchte an dieser Stelle nicht spoilern, daher spare ich die Inhaltsangabe aus. Es ist eine Abenteuergeschichte mit Gruselfaktor, die gleichzeitig mit Elementen spielt, die typisch für Lovecraft sind, und mit den Phantasien eines erfolgsverwöhnten und etwas selbstherrlichen Entfesselungskünstlers, der alle Mittel nutzte, um unsterblich zu werden. Ich persönlich finde die Idee super, dass Titania Medien diesem Vater aller Magier dieses Denkmal gesetzt hat, und die Umsetzung ist wie immer perfekt. Auch diejenigen, die von Houdini noch nie etwas gehört haben und sich auch weiterhin nicht mit der historischen Gestalt beschäftigen wollen, bekommen hier ein unterhaltsames, abendfüllendes Hörspiel mit Gruselfaktor geboten, das man mit Genuss mehrmals anhören kann.