Einer kann alles verderben
Es war Silvester 1972, als das ZDF erstmalig den Otto Schenk-Film der "Fledermaus" zeigte. Karl Böhm brach damals mit dem Brauch, Prinz Orlovsky durch einen Mezzo darstellen zu lassen. Er bemühte seinen Wagner-erprobten Bayreuth-Helden Wolfgang Windgassen, der den "steinalten Prinzen" vortrefflich bot. Diese Umbesetzung funktionierte.
Zwei Jahre später bot das Nationaltheater München die Bühnenfassung, mit Carlos Kleiber am Pult, die Hauptrollen mit Janowitz-Fassbaender-Waechter wahrlich königlich besetzt. Die vorliegende Einspielung folgte bald, die Besetzung wurde aus unbekannten Gründen fast komplett geändert. Die Einspielung ist größtenteils mit Sängern, die in München in diesem Werk nie auf der Bühne standen, diese von höchst unterschiedlicher Qualität.
Bis heute ist nicht nur mir unbekannt, was zur Verpflichtung von Iwan Rebroff als Prinz Orlovsky geführt hat. Ein Mann, der eine Frau spielt, die einen Mann spielt, kann nicht funktionieren. Der Deutsche Hans Rippert, der sich Leibesfülle, Bart, russische Gewänder und eine Fellmütze zulegte, um als "Iwan Rebroff", vermeintlicher Russe, zu firmieren, war immer heftigst umstritten. Das Lager seiner Gegner war groß, mindestens so groß wie seine angeblich 4 1/2-Oktaven-Stimme. Diese erreichte er nur mit einem Pseudo-Falsett. Nur mit diesem Pseudo-Falsett präsentiert er sich hier. Das ist kein Gesang, das ist schlicht unerträglich. Einzel-Note hierfür: Note 6 = "ungenügend". Der holländische Dirigent Willem Mengelberg soll gern "Einer kann alles verderben" gesagt haben. Er muss diese Aufnahme vorgeahnt haben.
Damit darf man aber nicht die eigentliche Produktion verurteilen. Die Sängerinnen, Frau Varady noch mehr als Frau Popp, sind vorzüglichst. Hier ist die Rosalinde tatsächlich eine Ungarin. Die Herren, zuerst Hermann Prey, sind völlig in Ordnung.
Beim Hören sollte man sich von Anfang an auf das Orchester konzentrieren. Als Riccardo Muti sein erstes Wiener Neujahrskonzert dirigieren sollte, rief er angeblich bei Carlos Kleiber an, wie er mit den Partituren umgehen soll. Kleiber verwies ihn an die Aufnahmen von Clemens Krauss, also eben diesem nachzueifern. Die ständigen Auf- und Abschwünge der Musik, die einzelnen Stimmen im Orchester (man höre die Einspielung einmal nur wegen der Holzbläser, was sich da tut!), beherrschte er wie kein zweiter. Das ist keine Perfektion, das ist einmalige Präzision, die kein zweiter Dirigent je erreicht hat.
Das Bildmaterial ist einmal mehr im Haus Universal eher bescheiden. Es sind wenigstens zwei Fotos aus dem Herkulessaal dabei, die während der Aufnahmen entstanden sind. Der Begleittext ist sehr interessant. Der Klang der blu-ray audio ist absolut vorzüglich, die angemessene Herausforderung für eine höherwertige Anlage.