Indien in Licht und Schatten
Indien in Licht und Schatten
Wenn man an Indien denkt, denkt man an leuchtende Saris, klirrende Armreifen, bunte Blumen, Elefanten und leckere Reisgerichte. Dass es dort auch Schattenseiten gibt, ahnt man spätestens, wenn man Slumdog Millionaire gesehen hat. Was für schreckliche Blüten die traditionellen Heiratssitten mit arrangierten Ehen und einer ausgehandelten Mitgift treiben kann, liest man hier und ist entsetzt.
Anil und Leena waren als Kinder Freunde und sind zusammen aufgewachsen, obwohl sie aus Familien unterschiedlichen Rangs kommen, sind sie doch Nachbarn.
Anil ist der goldene Sohn, der Älteste, der in die Fußstapfen seines Vaters treten soll als das Familienoberhaupt, das die Dorfgemeinschaft leitet und Schiedsgerichte abhält, wenn Streitigkeiten auftreten. Allerdings hat er eigene Pläne. Er möchte Arzt werden und in Amerika als Assistenzarzt arbeiten.
Leena kommt aus einer einfachen Bauernfamilie. Ihre Eltern suchen für sie, wie die Tradition es verlangt, einen Ehemann aus. Die erforderliche Mitgift bringt Leenas Eltern an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.
Abwechselnd verfolgt man hier Anils und Leenas Schicksal. Während Anil dem harten Alltag eines Assistenzarztes in einem großen Krankenhaus ausgesetzt ist und nebenher auch Fremdenhass in Amerika erlebt, muss Leena feststellen, dass ihr neuer Ehemann nicht hält, was er versprochen hat.
Dieses Buch ist fesselnd und bringt einem Indien nahe. Man lernt viel über Sitten, Gebräuche, Traditionen, die bestehen, auch wenn sie vielleicht belastend sind und in eine moderne Welt nicht mehr so gut passen. Und wie gehen Inder im Ausland damit um? Was passiert, wenn Traditionen dem persönlichen Glück im Wege stehen? Und wie ist die Stellung einer indischen Frau in der Gesellschaft, wenn sie einerseits devot ihren Ehemann bedienen muss, andererseits aber doch viel Einfluss haben kann? Warum werden fürstliche Mitgiften gezahlt, wenn doch diese Tradition eigentlich gesetzlich verboten ist?
All das steckt in diesem Buch und wird in eine eindrucksvolle Geschichte verpackt, was wirklich großartig wäre, wäre der Erzählstil nicht gar so schlicht. Es liest sich leicht, schnörkellos geradeaus. Um restlos davon begeistert zu sein, hätte ich mir an dieser Stelle ein paar Finessen gewünscht.
Auch gelegentliche Logikschnitzer fallen auf.
„Der goldene Sohn“ ist ein Buch, das einem die Augen öffnet. Einige Vorkommnisse hätte ich für maßlos überzogen gehalten, wenn nicht Google selbst die schlimmsten Auswüchse bestätigen würde. Man bekommt ein lebendiges Bild vom modernen Indien mit Licht und Schatten, faszinierend, bestürzend und fesselnd.