Bonsaiparkett und Schnippikäse
Kühn hat Ärger, gesellschaftskritischer Kriminalroman von Jan Weiler, 400 Seiten, erschienen im Piper-Verlag.
Martin Kühn ermittelt wieder, sein 2. Fall.
Martin Kühn Kriminal-Hauptkommissar aus München kommt nach einem Burnout wieder an seinen Arbeitsplatz zurück. Amir, der Sohn libanesischer Einwanderer wurde an einer Bushaltstelle tot aufgefunden. Der Junge wurde zu Tode geprügelt und einfach liegen gelassen. Kühn und seine Mannschaft machen sich auf die Suche nach dem Täter. Dabei ermittelt er auch bei den sogenannten „Reichen und Wohltätigen“ der Münchner Schickeria. Dabei hat er genügend private Probleme, der Titel des Romans könnte auch „Kühn hat Sorgen“ lauten. Kann der Schuldige am Tod des libanesischen Jugendlichen gefunden werden?
Zuerst einmal, dieses Buch hat mich komplett überwältigt, immer wieder musste ich innehalten und über das Gelesene nachdenken. Oft habe ich mich erwischt, wie ich innerlich den Kopf geschüttelt habe oder zustimmend nicken musste. Dabei handelt es sich hier nicht um einen normalen „Krimi“ im Whodunit-Stil, sondern vielmehr um eine gesellschaftskritische Milieustudie. Der Plot teilt sich in 16 Kapitel, durchgehend mit einem zusammenfassenden Titel überschrieben. Allein Kapitel 14 hebt sich von den anderen ab, hier handelt es sich um das Wortprotokoll einer Vernehmung, toll gemacht! Jan Weiler hat für seinen Roman den auktorialen Erzählstil gewählt. Viele Dialoge und bildhafte Beschreibungen von Setting und Personen machen die Geschichte lebendig. Weilers clevere ironische Gesellschaftsbeobachtungen und menschliche Innenansichten sind genial. Stetig steigert sich die Spannung ich habe mit Kühn zusammen recherchiert, den Täter gesucht und am Ende konnte ich es kaum mehr ertragen. Ab da bin ich nur so durch die Seiten geflogen bis die erschütternde Wahrheit ans Licht kam. Dass Jan Weiler auch humoristisch kann, kennt man aus seinen anderen Büchern, aber auch in vorliegender Geschichte musste ich schmunzeln, z.B. auf S. 224 …Klaubers Gebiss sah aus wie der stark bemooste Eingang zu einer karpatischen Waldhöhle… Für die Lektüre von Kühns 2. Fall ist die Vorgeschichte des 1. Teils nicht notwendig, trotzdem werde ich sie mir im Nachhinein noch „gönnen“. Ohne zu spoilern ist es schwierig, dieses geniale Buch genügend zu würdigen. Die Beschreibung der Familie van Hauten fand ich faszinierend. Eine Familie für die sich das Meer teilt. Die Gutmenschnummer, die Elfie van Hauten abzieht, der Vater Claus – das menschgewordene Upgrade, so ähnlich kenne ich es auch aus meinem Wohnort, scheint den Autor auch zu beschäftigen, da kann ich seiner Sicht nur zustimmen. Zu jeder Zeit konnte ich dem Geschehen folgen, die handelnden Personen agierten plausibel und nachvollziehbar. Meine Lieblingsfigur natürlich der Protagonist Kühn, ein hervorragender Ermittler, mit toller Menschenkenntnis und sozialer Kompetenz. Leider aber, gerade im familiären Bereich unsicher und gegenüber seiner eigenen Gesundheit sogar leichtsinnig. Die Figur Amir und auch Julia mochte ich sehr gerne, wobei mir die restlichen van Hautens zu glatt, zu schön und zu perfekt waren, nicht weil der Autor sie so beschrieben hat, sondern weil ich solche Menschen im richtigen Leben auch nicht leiden kann. Das vorliegende Buch kann ich wirklich nur empfehlen, man bekommt sehr viel in einem einzigen Buch, dazu noch gute Unterhaltung. Nur eine Frage blieb bei mir offen. Was ist Schnippikäse? Volle Punktzahl 5 Sterne, was sonst?