Psychoterror!
(Achtung, Spoilergefahr!)
Dies ist einer der nachwirkendsten Filme, den ich je gesehen habe. Robert "Bob" Ford wird in der amerikanischen Geschichtsschreibung als Feigling behandelt, der Jesse James in den Rücken schoss. Dieser sich an den Fakten orientierende Film erzählt die Geschichte von Bob Ford und zeigt, dass der Fall wesentlich vielschichtiger lag.
Jesse James trieb von 1876 bis 1882 sein Unwesen. Er überfiel Züge und Banken und ermordete mindestens 17 Menschen - Unschuldige, Famielienväter, Söhne. Er war kein "edler Held" im Sinne von Robin Hood - dazu machten ihn erst die Medien seiner Tage, indem sie erfundene Geschichten über ihn kolportierten und "Wahrheiten" verkauften, die keine waren.
Jesse James war ein Psychoterrorist, der seine Umgebung in Angst und Schrecken versetzte. Bandenmitglieder erschoss er, sobald sie etwas taten, was ihm missfiel. Er war nur mit Waffen anzutreffen. Die Aussage, dass dieser Mann zu gefährlich wäre, um ihn lebendig zu fassen, ist korrekt.
Charly und Bob Ford befanden sich geraume Zeit in direkter Nähe zu Jesse James und standen immer in Gefahr, von ihm ermordet zu werden. Er diktierte selbst kleinste Kleinigkeiten. So durften sie sich nicht miteinander unterhalten, wenn er nicht dabei war. Einmal nachts verbot er Bob mit gespanntem Colt, die Toilette aufzusuchen.
Jesse James war ein Psychoterrorist, der vielleicht ganz genau wusste, dass sein Ende gekommen war. Er war 34 und trieb seit nunmehr 14 Jahren sein Unwesen als Outlaw. Bob und Charly Ford zu erschießen hätte bedeutet, wieder das Haus aufzugeben, wieder fortzuziehen und irgendwo anders eine neue Existenz aufzubauen. Doch James war müde geworden. Er wollte nicht mehr. Deswegen legte er die Waffen ab, als er das Bild entstaubte. Er stand da, mit dem Rücken zu Bob und Charley, und gab ihnen die Chance, das zu tun, was er für sich als beste Lösung ansah.
Ich denke, eine Mensch, der sich so lange Zeit freiwillig in die Gesellschaft eines solchen Psychopathen begibt, kann kein Feigling gewesen sein. Und Bob wusste genau: Ein "normales Leben" war nur noch möglich, wenn Jesse James tot war. Sonst standen er und Charly und auch Dick Liddle immer in Gefahr, von ihm ermordet zu werden. Jesse hatte selbst keine Skrupel, einen Mitstreiter in den Rücken zu schießen (siehe den Tod bzw. die "Hinrichtung" von Ed Miller).
Die Verklärung durch die damaligen Medien und Fehler von Seiten herrschender Politiker verursachten und nährten die Legendenbildung, die Jesse James zum verratenen Helden stilisieren. Dabei war er nichts anderes als ein brutaler und gemeingefährlicher Verbrecher und Mörder.
Vor- und Nachteile der DVD (+/-)
- Sprachwahl (Deutsch kommt weit unten)
- Raubkopierer-Knast-Warnung belästigt ehrliche Käufer
- Zwangstrailer anderer Filme vor dem Hauptfilm
- Nach dem Film erscheinen seitenlange Rechtsbelehrungen, die nicht abgestellt werden können (außer durch Ausschalten).
+ Sehr gute Besetzung: Casey Affleck und Brad Pitt
+ deutsche und englische Tonspur
+ deutsche und englische Untertitel
- sehr undeutliche Aussprache des englischen O-Tons (kaum verständlich; oftmals werden ganze Wörter verschluckt und der Rest vernuschelt)
+ Kein Shoot-out am Ende, kein Abrechnen, keine Italo-Western-Mentalität.
Trotzdem: Ein unbedingt sehenswertes Western-Drama, das sich viel Zeit für psychologische Auslotung der Figuren nimmt und dabei keine Sekunde langweilig ist.
Ich halte diesen Film für wichtiger als "Zwölf Uhr mittags".