Eine herausragende Edition
Um es gleich vorweg zu nehmen: Michael Korsticks Spiel der gesammelten Klavierkonzerte von Beethoven ist fabelhaft. Rhythmisch akzentuiert, lyrisch sensibel, kraftvoll und zart. Alles da, was eine gelungene Aufnahme braucht. Und doch setzt Korstick keine neuen Akzente. Wie sollte er auch!? In, auf, über, unter, vor und zwischen Beethovens Noten ist eigentlich schon alles gesagt. Fast alle Klaviergrößen haben sich und Beethoven mit einem Zyklus ein Denkmal gesetzt. Auch für Korstick, so ist im Booklet zu lesen, war dies ein Wunschtraum, der wohl nur deshalb in Erfüllung gehen konnte, weil ein großzügiger Mäzen Pate stand. Auch HiP-Interpretationsansätze sind ausgereizt. Mit Hammerklavier und Originalinstrumenten haben sich immerhin auch etliche Klaviergrößen erfolgreich/erfolglos versucht.
Und das Orchester? Unter Dirigent Constantin Trinks spielen die Wiener Radio-Sinfoniker klangschön und engagiert auf. Alles höchst professionell, aber ohne hörbare Finessen.
Nein! Was Korsticks Veröffentlichung herausragend macht, ist die Edition. Sie ist m.E. die erste, die alle Werke für Klavier und Orchester, die Beethoven hinterlassen hat, in einer Box zusammenfasst – auch als Fragment. Gut, dass die Chorphantasie weggelassen wurde. Mutig erscheint die Bezeichnung „Piano Concertos 0-7“. Die fünf „etablierten“ Konzerte kennt man ja. Doch Korstick zählt das Konzert nach dem Violinkonzert op.61 als Klavierkonzert „Nr.7“ dazu, ebenso das frühe Konzert WoO 4, das lange verschollen war und nun wieder als „Nr.0“ im Katalog zu finden ist und schließlich das Fragment H 15, einen auskomponierten Satz, den Beethoven wohl als „Klavierkonzert Nr.6“ gedacht hat. Beide, Nr.0 und Nr.6, sind auf Wunsch Korsticks neu instrumentiert, bzw. aufführbar gemacht worden, wobei die Neuinstrumentierung des aufgefundenen Klavierauszugs der Nr.0 von besonderem Interesse ist. Auch das frühe Rondo WoO 6 ist als Zugabe mit dabei. In dieser kompletten Sammlung „aus einer Hand“ liegt der Wert, der herausragende Wert dieser Einspielung. Schließlich – und das ist man ja von cpo gewohnt – wurde der Box ein hervorragendes 57-seitiges Booklet beigelegt. Und noch etwas sei angemerkt: Endlich hat sich cpo mal zu einer Papp-Box mit den vier CDs in getrennten Papp-Schubern entschlossen statt der umweltunfreundlichen Plastikteile. Auch die Grafik ist sehr geschmackvoll und hätte gestimmt, ja wenn nicht ein Ärgernis unterlaufen wäre: Liegt die Box auf dem Tisch, so kann man den Rückentext nur lesen, wenn man einen Kopfstand macht. Auch im CD-Regal muss man die Box auf den Kopf stellen. Das muss doch nicht sein!!
Trotzdem: Eine beachtenswerte Leistung aller Mitwirkenden und eine Bereicherung des cpo-Repertoires.