Mißlungen
Ich bin ein Supremes-Fan der "ersten" Stunde, außerdem Diana Ross- und Motown-Fan ...
Dass Diana Ross eine eher kleine Stimme hat, ist allgemein bekannt. Es hat mich nie gestört, weil es für mich nicht so sehr auf die Stimmgewalt ankommt, sondern auf Wiederkennungswert, Persönlichkeit des Ausdrucks und Stimmfarbe. Und während manche metallharte Stimme zwar anfangs durch pure Lautstärke imponiert (ich nenne bewusst keine Namen), kommt dann meist schnell die Ernüchterung, weil solche "Super-Stimmen" häufig keinerlei "Leben" und "Persönlichkeit" transportieren, sie werden schnell lästig und nervend.
Dagegen gab und gibt es bedeutende Sängerinnen mit winzig-kleinen Stimmen, die aber "trotzdem" faszinierende Beispiele von Songinterpretationen lieferten (z.B. Billie Holiday oder Dorothy Dandridge)
Diana war immer dann stimmlich besonders präsent, wenn sie sich gegen andere Stimmen durchsetzen wollte (z.B. gegen die beiden Mit-Supremes, gegen die Temptations = Supremes Join Temptations und in den div. Duett-Projekten mit Marvin Gaye, Lionel Richie, Julio Iglesias u.a.).
Bei Solo-Aufnahmen wich diese Aggressivität meist einer relaxten Stimmung und ihre Stimme wurde weicher und sanfter.
Ich mag Diana Ross und halte viele ihrer Alben für excellente Meisterwerke, nicht jedoch dieses Album.
Es fängt bereits bei der Optik an:
Die unglückliche Entscheidung für Vorder- und Rückseite des Covers jahrzehnte-alte Fotos (aus der Chain-Reaction- und Red-Hot-Fotosession) zu wählen, sorgt für Irritationen bei den Fans.
Zum Songmaterial:
Obwohl Diana ein besonders persönliches Album aufnehmen wollte und deshalb Cover-Versionen von Songs einspielte, die sie besonders mag, geriet das Werk merkwürdig uninspiriert.
Umsetzung:
Die Instrumentierung halte ich für derart mißlungen, dass sie mich fatal an "Muzak" (Fahrstuhl- und Supermarkt-Berieselung) erinnert. Hinzu kommt, dass die Stimme der Sängerin sehr brüchig und schwach klingt.
Fazit:
Ich habe mich bemüht das Album zu mögen, es gelingt mir nicht.
Kürzlich habe ich es aussortiert, nachdem ich mich erneut gezwungen hatte, es anzuhören.
Das alles tut der einzigartigen Stellung dieser Ausnahme-Künstlerin in der Musikwelt jedoch keinen Abbruch:
Als Diana Ross, nach ihrer Trennung von den Supremes mit ihrem ersten Solo-Album durchstartete (enthält u.a. den No. 1 Hit "Ain't No Mountain High Enough", in der langen Album-Version) war es noch keineswegs sicher, dass die Künstlerin auch solo weiterhin erfolgreich sein würde.
Doch, wie wir heute wissen, nahm ihre Karriere einen rasanten Weg nach ganz oben. Gleich für ihre erste Filmhauptrolle wurde sie für den Oscar, als beste Hauptdarstellerin in "Lady Sings The Blues" nominiert. Auch wenn den Preis Liza Minelli für ihre Darstellung in dem Film "Cabaret" bekam, war allein die Nominierung für eine Anfängerin im Filmgeschäft schon eine Sensation.
Was dann folgte war nicht weniger spektakulär:
Bühnen- und TV-Shows der Superlative, die vielfach prämiert und als wegweisend gefeiert wurden ("Diana Ross Live At Caesar's Palace" +++ "Diana Ross - Here I Am", aka "An Evening With Diana Ross" +++ "Open Air Konzert im New Yorker Central Park vor 800.000 Zuschauern, mit Gewittersturm-Einlage und und und),
Auszeichnung als Entertainerin des Jahrhunderts, Platin für das Album "diana" (1980). "Ganz nebenbei" 5 Kinder geboren und großgezogen. Eine tolle Frau und für viele "one of the most interesting women on the planet ..."
Jüngst erhielt Diana Ross den längst überfälligen Grammy, wenn "auch nur" für Ihr Lebenswerk. Mir gefiel ihre sarkastisch-ironische Dankrede, die auf YouTube zu finden ist:
"Ein Grammy für mein Lebenswerk? Mein Lebenswerk sind meine fünf Kinder und mein kleiner Enkelsohn ..."
Hier findet sich diese Dankesrede:
"Diana Ross accepting Lifetime Achievement Award at Special Merit Awards"
http://www.youtube.com/watch?v=l4-Kczpirjo