Sabotage und Mord an Bord eines Luftschiffes
Gitta Edelmann geht in ihrem historischen Roman "Himmelsliebe" von einer utopischen historischen Ausgangssituation aus: die badische Revolution von 1848 war erfolgreich, was den Lauf der Geschichte verändert hat. In der Folge gibt es statt Frankreich und Deutschland ein vereinigtes, demokratisches Frankoallemannien mit Straßburg als Hauptstadt, in dem Gustav Struve eine Zeitlang Präsident war, und in dem die Emanzipation der Frauen ein gutes Stück vorangekommen ist.
Auch die Luftfahrttechnik hat große Fortschritte gemacht, es gibt sogar Solarantrieb, und so kommt es, dass das Luftschiff "Himmelsliebe" mit einer Mannschaft aus Männern und Frauen, die von einer Kapitänin geleitet wird, und mit einigen Wissenschaftlern an Bord im Mai 1880 von Offenburg in Richtung Nordsee aufbricht, um die Überreste des sagenhaften versunkenen Rungholt aus der Luft zu erforschen. Dabei müssen sie sich beeilen, denn die Engländer sind auch interessiert…
Diese historische Utopie als Ausgangssituation finde ich äußerst kreativ und originell. Und auf ihrer Basis entwickelt Gitta Edelmann eine interessante Reisegeschichte - teils historischer Roman, teils utopischer Gesellschaftsroman und teils Krimi, denn es gibt Sabotage an Bord der "Himmelsliebe" und schließlich geschieht sogar ein Mord.
Doch um all diese Themen im Roman unterzubringen, sind knapp 300 Seiten offenbar zu wenig. Ich hätte mir vieles besser ausgearbeitet gewünscht, und Rungholt kommt leider nur in Gesprächen vor - es geht vor allem um die Sabotage auf dem Luftschiff, um Spionage sowie um die Dynamik zwischen Männern und Frauen im Besatzungsteam. Auch auf letzteres Thema war ich neugierig, doch hier konnte das Buch mich nicht überzeugen. Immer wieder, viel zu oft, werden die Probleme der Frauen in der Berufswelt in den Vordergrund gestellt. Das wirkt nicht authentisch, zumal sich die weiblichen Protagonisten recht unreif verhalten. Die Dialoge sind sperrig, die Frauen verfallen immer wieder ins klischeehaft Weibliche. Emanzipation wird behauptet, aber nicht gelebt. Ansätze von kollegialer Zusammenarbeit sind im Verhältnis der Kapitänin Alberta Lefort zu ihrem ersten Offizier Wilhelm Friedrichsen zu entdecken, dessen Entwicklung mir gefallen hat. Aber wenn dies insgesamt eine Darstellung emanzipierter arbeitender Frauen sein soll, so ist sie leider nicht gut gelungen.
Der Schreibstil holpert hin und wieder etwas. Einige erfundene Begriffe fand ich merkwürdig, zumal sie nicht immer konsequent angewandt werden.
Um über die vielen Personen, die sich an Bord des Luftschiffes befinden, den Überblick zu behalten, ist das Personenverzeichnis am Anfang des Buches sehr hilfreich. Fast alle machen sich im Lauf der Geschichte auch irgendwie ein wenig verdächtig. Doch sowohl die Sabotage als auch der Mord lösen sich am Ende ziemlich sang- und klanglos auf, hier hätte ich mir etwas mehr detektivische Arbeit und mehr Klarheit in den Beweggründen gewünscht.
Im Nachwort erklärt Gitta Edelmann, wie sie sich den Entwurf der Welt der "Himmelsliebe" gedacht hat. Meiner Meinung nach hätte es dem Buch gutgetan und wesentlich mehr Tiefe und Hintergrund gegeben, wenn all das logisch in den Text und den Handlungsverlauf eingearbeitet worden wäre. Hier merkt man dann doch, dass die Autorin keine Historikerin ist. Ihre Ausführungen zur Geschichte der Gleichberechtigung in Deutschland sind unvollständig, denn sie vergisst zu erwähnen, dass in der DDR bereits seit 1949/50 die Gleichstellung der Frau gesetzlich geregelt war. Außerdem ist im hinteren Teil des Buches "Bismarck" durchweg nur mit k am Ende geschrieben.
Fazit: leichter Roman mit interessantem Thema, eher utopisch/fiktiv als historisch ausgefeilt, aber doch unterhaltsam und stellenweise sehr humorvoll.