Von sehr gut bis ausreichend ist alles dabei...
Zu Beginn: Dieses Werk verdient insgesamt wesentlich mehr Beachtung, ist es doch von einer Intensität und Schönheit wie kaum eine zweite Brockespassion. Insofern ist es dankenswert dass Peter Neumann und Carus sich ihm angenommen haben! Allein, etwas mehr Aufnahmezeit hätten wahrscheinlich Wunder gewirkt, dann wäre noch Zeit gewesen "Huster" des lärmenden Konzertpublikums herauszuschneiden und sicher auch die eine oder andere Nummer noch sicherer in den Kasten zu kriegen - freilich manchmal leidet die Dramatik dann bei Studioaufnahmen - dies ist hier nicht der Fall - es geht gut zur Sache!
Der Chor klingt manchmal etwas zu indifferent und auch etwas entfernt aufgenommen - das kann aber auch Geschmacksache sein, der Chor ist in diesem Werk auch nicht wirklich mit größerer Funktion ausgestattet, von daher spielt das kaum eine Rolle - die Solisten tragen diese Szenerie, allen voran der Evangelist.
Markus Brutscher macht seine Sache stimmlich sehr gut, allein, hat er noch nie von Appoggiaturen gehört? Er macht sie fast nie... Dieser Mangel an historisch informiertem Verständnis ist leider auf Dauer nervend, muss man immer wieder auf wunderbare Vorhalte, Durchgänge oder Endfloskeln verzichten, die doch jedem versiertem Hörer so vertraut sind - warum nicht einem so bekannten Sänger? Warum weist Herr Neumann nicht darauf hin? Hier empfehle ich ein Quellenstudium zB bei Telemann...
Nele Gramß singt berückend schön - das ist ganz wunderbar, und macht sie zum Star dieser Aufführung. Jesus, alias Markus Flaig liefert gleichfalls eine sehr anständige Leistung - klar und verständlich in Diktion und Timbre, manchmal ein wenig kühl aber im Ganzen auf sehr hohem Niveau. Johanna Winkel und Elvira Bill sind ebenfalls ihren Partien gewachsen und liefern hervorrgend ab.
Dies ist leider ganz und gar nicht so bei den übrigen männlichen Kollegen Judas und Petrus. Petrus, alias James Oxley hat leider deratig viel Vibrato, dass man manchmal gar keine Tonhöhe bestimmen kann, er betont gnadenlos Nebensilben und knödelt sich alles in allem holprig durch diese wunderbare Partie. Hat er eventuell zu lange bei Kollegem Guy de Mey gelauscht, der vor 30 Jahren mit McGeagan dieses Werk schon einmal aufnahm - auch da waren ähnliche Mängel zu bemerken, zum Teil sogar exakt die gleichen - dennoch war es besser gesungen... "Nehmt mich mit verzagte Scharen" - an sich ein Traum von einem (Rühr-)Stück - verkommt hier leider völlig... Nicht viel besser Jan Thomer, schlechter Vokalausgleich, unsauber und insgesamt nicht vergleichbar mit dem Niveau der oben genannten Kolleginen.
Der Gesamtklang der Aufnahme ist sehr angenehm, allein die Solisten sind zu laut bzw. zu nah im Vergleich zum Orchester, welches übrigens absolut gut spielt! - dies stört ein wenig das Einhören in die Konzertatmosphäre.
Nunja, alles in allem - wie sagt man - "viel Schönes dabei" und dennoch eine ganze Menge zu kriteln...Aber, bis jetzt die beste Einspielung dieses Stückes - mit Platz nach oben für kommende Generationen.