Gegenentwurf
Große Namen, Gidon Kremer, Kim Kashkashian, Yo-Yo Ma, alle drei waren und sind Weltklasse-Solisten ihrer Instrumente, auch Daniel Phillips ist ein versierter Kammermusiker, inzwischen in einem anderen Quartett, und unterrichtet.
Diese mittlerweile fast auch schon historische Live-Aufnahme von 1985 aus New York, die klangtechnisch durchhörbar, ortbar und direkt, aber sehr trocken, fast stumpf, geriet, ist für mich auch so etwas wie ein musikalischer Lebensbegleiter. Die vier Musiker harmonieren für mich im letzten Schubert-Quartett fast ideal. Vielleicht ist Kremer manchmal ein wenig zu prominent, aber seine Stimme ist natürlich mit ihren typisch Schubertschen repetierten Begleitfiguren im Diskant, zumal im letzten Satz extrem undankbar. Überhaupt prägt der herbe, leidenschaftlich-rastlose, fast unruhige Charakter von Gidon Kremers Spiel die Aufnahme, was für mich ganz hervorragend zu diesem Werk passt.
Jedenfalls habe ich nie eine atmosphärisch dichtere Einspielung dieses ganz unglaublichen Spätwerkes eines viel zu früh Verstorbenen gehört. Welche Intensität da bereits im Eingangsmotiv vermittelt wird, wie sich unter den Händen dieser Musiker auch im wunderbaren langsamen Satz die dramatische Entwicklung vollzieht, einfach großartig, spannend, ja, ergreifend, wobei für manchen Hörer die hier wie auch in den Ecksätzen sehr gemäßigten Tempi gewöhnungsbedürftig sein dürften. Dass alle Wiederholungen beachtet und so die Proportionen dieses Riesenwerkes erhalten werden, ohne dass die Spannung verloren ginge, ist sehr erfreulich.
Vorweg gibt es Adagio und Fuge von W. A. Mozart, ebenfalls sehr intensiv, fast schon ruppig vorgetragen, eine passende Einstimmung für die Abgründe der Musik Schuberts.
Für mich eine der singulären Kammermusikeinspielungen, unbedingt zu empfehlen, auch als vergeistigter Gegenansatz zu dramatisch-drängenden Versionen, wie sie das Alban-Berg-Quartett, das Takács-Quartett oder auch das Melos-Quartett bieten.