Maßstab
Je mehr Aufnahmen von Dmitri Schostakowitschs Symphonien mit Jewgeni Mrawinski am Pult der Leningrader Philharmoniker ich höre, desto stärker verdichtet sich der Eindruck, dass dieser Dirigent schlicht in einer eigenen Kategorie agierte.
Ich mag gut klingende Aufnahmen, gerade bei dieser opulent orchestrierten monumentalen Symphonie. Höre ich dann Mrawinskis Deutung, wird die auch für das Aufnahmejahr 1959 mäßige sowjetische monaurale Studioqualität mit eingeschränkten Tiefbassreserven und limitierter Dynamik zur Nebensache.
Mrawinskis Darstellung packt, rührt an, bestürzt; egal, ob es sich um die unheimliche Ruhe vor dem Sturm im Kopfsatz, um die brutalen Attacken des Allegros, die fast surreale Schönheit des klagenden Gedenkgesangs oder das markerschütternde Sturmgeläut im Finale handelt. Wieder einmal spielen die Leningrader Philharmoniker ungeheuer intensiv und beteiligt, und das unter Studiobedingungen. Kaum zu glauben!
Angesichts der atmosphärischen Dichte, die Mrawinski auch bei diesem Werk erzeugt, haben es bei mir auch Schostakowitsch-Kapazitäten wie Mariss Jansons, Rudolf Barschai, Dmitri Kitajenko oder Bernard Haitink schwer, deren Aufnahmen mich alle nicht zuletzt wegen einer hervorragenden tontechnischen Umsetzung stark beeindrucken, mir aber nicht dermaßen unter die Haut gehen.
Für mich sind bei der Elften eigentlich nur die infernalische Wucht Kirill Kondraschins (immerhin in Stereo) und die langsame, aber dafür bohrend-intensive, hochemotionale Londoner Live-Aufnahme Mstislaw Rostropowitschs konkurrenzfähig, wenigstens letztere auch ein akustischer Hochgenuss.