Unumgänglich
Der symphonische Schostakowitsch-Zyklus mit Kirill Kondraschin am Pult des Philharmonischen Symphonieorchesters Moskau entstand zwischen 1965 (Symphonie Nr. 9) und 1975 (Symphonie Nr. 7). Es gab ihn bereits in anderen Aufbereitungen, deren Klangqualität ich leider nicht beurteilen kann. Informationen aus dem Netz zufolge ist dieses russische Melodiya-Remastering das bislang gelungenste. Das heißt leider nicht, dass der Klang auf dem Stand der westlichen Technik der damaligen Zeit ist. Wenn man so manche DECCA-Produktion aus den 1960ern und 1970ern im Ohr die Kondraschin-Aufnahmen mit ihrer auch nach der Bearbeitung bleibenden Tendenz zum Schrillen, zur Enge, mit ihren Tiefbass-Defiziten und ihrer (leichten) Neigung zum Übersteuern bei lauten Tutti-Passagen hört, hadert man schon mit den damaligen Technikern und ihrer Ausrüstung. Fokussierungen auf beispielsweise Holzbläser-Solisten kommen vor, fallen mir aber nach längerem Hören nicht negativ auf. Da es sich zum größten Teil um Studio-Aufnahmen handelt, gibt es auch kaum Publikumsgeräusche (außer "Oktober"). Und wenn man sich - das geht bei mir schnell - in die spezifische Klangwelt dieser Aufnahmen eingehört hat, wenn Kondraschin einen in die Komposition hineingezogen hat, dann wird die Akustik rasch zweitrangig.
Zumindest für mich ist die suggestive Kraft Kondraschins einzigartig. Er gestaltet für mein Empfinden jede dieser Symphonien mit einem Höchstmaß an Intensität. Wesentlich hierfür ist wohl, dass er innerhalb der Vorgaben des Notentextes sein Orchester immer an die Grenze führt. In jeder Symphonie. In jedem Satz. Es kann unter diesen Umständen anstrengend werden, gerade die langen Werke durchzuhören, denn 50, 60 Minuten Dauerfeuer nehmen mit. Mir sagt dieser Stil ausgesprochen zu, zumal die Zuspitzungen auf mich nie übertrieben, sondern geradezu notwendig wirken. Ähnlich intensive Schostakowitsch-Hörerfahrungen kenne ich nur bei Jewgeni Mrawinski und bei Gennadi Roschdestwenski, allenfalls in Einzelfällen bei anderen Dirigenten.
Seit der Großtat Bernard Haitinks in den 1970er und 1980er Jahren werden die Symphonien Schostakowitschs auch im Westen immer häufiger eingespielt. Besonders günstig und dabei sowohl gut klingend wie auch gespielt ist aus meiner Sicht die Gesamtaufnahme mit Mariss Jansons am Pult verschiedener Orchester. Exzellent aufgenommen, herausragend gespielt und in den meisten Fällen auch mit einem individuellen, auf ganz andere Weise packenden Zugang interpretiert sind die Einspielungen mit Dmitri Kitajenko und dem Gürzenich-Orchester. Trotz insofern nicht nur klanglich, sondern auch interpretatorisch starker Konkurrenz werden Kondraschins existentielle Deutungen bei mir einen Sonderstatus behalten.
Kurz zu den einzelnen CDs, die übrigens innerhalb der für meinen Geschmack extrem schön gestalteten Box in Pappkartönchen mit überaus ansprechenden Titelbildern mit Grafiken russischer Künstler aus den 1920er Jahren stecken und jeweils die Werk- und Satzangaben mit Spielzeiten und die Aufnahme- und Aufbereitungsdaten enthalten, wobei man im Beiheft die Texte der vokalen Sätze leider vergeblich sucht.
CD 1: Symphonien 1 - 3: Der Nr. 1 verleiht Kondraschin bereits eine Autorität und Reife, die weit über Darstellungen hinausgeht, die eher den virtuosen Jugendwerkcharakter des akademischen Erstlings hervorheben. Eine klanglich weit bessere, ebenfalls interessante Alternativsicht finde ich bei Kurt Sanderling.
Die beiden experimentellen einsätzigen Symphonien Nr. 2 und 3, deren Schlusschöre mit dem kommunistischen Inhalt merkwürdig disparat zum avantgardistischen Charakter der übrigen Musik wirken, nimmt Kondraschin rasch, eindringlich und spürt den mitunter rasch wechselnden Stimmungen teils drastisch nach. Haitinks Aufnahme der beiden Chorsymphonien habe ich als extrem klangvoll und durchaus auch überzeugend, aber nicht ganz so intensiv in Erinnerung. Barschais Fassung in der Gesamtaufnahme bietet eine deutlich bessere, voluminösere Tonqualität und ist aus meiner Sicht eine durchaus lohnende Alternative, auch wenn Barschai alles weniger scharf zeichnet. Sehr lohnend ist bei diesen beiden Symphonien Järvis Einspielung mit dem Göteborger Symphonie-Orchester.
CD 2: Symphonie Nr. 4. Kondraschin besorgte die Jahrzehnte verspätete Uraufführung des im Rahmen der Formalismuskrise von Schostakowitsch zunächst zurückgezogenen Werks. Diese später aufgezeichnete Studioeinspielung ist eines der - vielen - Ereignisse, die einen in der Box erwarten. Unerbittliche Klarheit und Schärfe vom ersten schrillen Akkord an, forcierte Tempi, zumal im ersten Satz, wildeste Entschlossenheit. Schön klingende neuere Aufnahmen des bei Schostakowitsch verdienstvollen Bernard Haitink, aber auch die Rudolf Barschais verblassen für mich neben dieser fokussierten, intensiven Sicht. Eine auch einigermaßen gut klingende Einspielung mit Roschdestwenski aus England (BBC Legends) wäre bislang meine einzige Alternative.
Die Symphonische Dichtung Oktober Op. 131 klingt erst einmal parteipolitisch inspiriert und ist von der Avantgarde einer 14. oder 15. Symphonie oder der späten Kammermusik weit entfernt, nimmt aber mit ihrer anfänglich fast an Rachmaninow gemahnenden Düsterkeit doch für sich ein. Oktober ist live aufgenommen und leidet entsprechend ein wenig an Publikumsgeräuschen.
CD 3: Symphonien Nr. 5 und 6: Selten habe ich eine derart eindringliche Fünfte gehört, im Kopfsatz eher rasch, aber dennoch mit genügend Raum für schmerzhafte Steigerungen, ein geradezu überwältigendes Largo mit einer berückenden Fülle an Klangfarben und dynamischen Qualitäten, die einen offenen Mundes verharren und staunen lassen, und ein Finale mit einer extremen Stretta zu Beginn und einem hohlen Abschlussjubel, der einem wirklich selten so im Hals stecken bleibt wie unter Kondraschins Regie. Hier gibt es eine ganze Menge hervorragender Konkurrenz. Ewgeni Mrawinski spielte das Werk kurz nach der Uraufführung zum ersten Mal und in der Folge immer wieder und immer maßstabsetzend ein. Genannt sei außerdem auch diesmal Kurt Sanderling, aus meiner Sicht bei dieser Symphonie durchaus auch Rudolf Barschai, deren Einspielungen noch dazu gut klingen, insbesondere aber Dimitri Mitropoulos in seiner New Yorker Aufnahme (günstig in der Membran-Schostakowitsch-Box). Ein guter Wassili Petrenko und selbst Leopold Stokowski (Stereoaufnahme von 1960 aus Philadelphia bei Pristine) fallen für mich im Vergleich jedoch beispielsweise deutlich ab, wenn man Kondraschins Extremsicht erlebt hat. Als überzeugende Deutung mit hervorragendem Klang bietet sich aus meiner Sicht auch die jüngere Aufnahme Juri Temirkanows mit den St. Petersburger Philharmonikern an, die mit einer gleichfalls hervorragend gespielten Sechsten kompiliert ist.
Auch die Nr. 6 ist meines Erachtens insgesamt extrem gelungen. Allein das gefühlt doppelt so schnelle Tempo des einleitenden Largos im Vergleich zum gewohnten (und auch partiturtreuen) Metrum anderer Aufnahmen überzeugt mich nicht ganz, wenngleich Kondraschin auch hier mit irrsinniger Dynamik die großartigen Steigerungen des Satzes extrem aufschlussreich zur Wirkung bringt, ihnen lediglich - meine ich - etwas mehr Zeit hätte lassen können. Die beiden raschen Sätze, die dann folgen, kenne ich nicht in einmal in der meines Erachtens im Gesamtbild gelungensten Darstellung dieser Symphonie durch Jewgeni Mrawinski live 1972 so verschärft und klar in der Spiegelung von Bosheit, Wahnsinn und aufgesetzter Heiterkeit. Sie geraten unter Kondraschin zu Grimassen, zu Teufelstänzen. Beeindruckend. Neben der besagten Mrawinski-Aufnahme halte ich noch die Sanderling-Einspielung für im Gesamtbild besonders gelungen, dies bei ausgezeichneten Klangeigenschaften. Mit Haitinks Interpretation habe ich seinerzeit das Werk kennen und lieben gelernt. Klanglich phantastisch ist sie mir inzwischen zu wenig eindringlich. Boults wahrscheinlich einzige Schostakowitsch-Aufnahme in ausgezeichneter Aufnahmequalität von Ende der 1950er bietet ein wunderbares Largo, während die beiden anderen Sätze abfallen, Petrenko und Bernstein in seiner Wiener Aufnahme bieten für mich keine ernsthaften Alternativen.
CD 4: Symphonie Nr. 7: Der durchgezogene Faden in diesem siebzigminütigen Riesenwerk ist es, der mich neben der - ich muss mich wiederholen - unnachgiebigen Eindringlichkeit der Darstellung am meisten beeindruckt. In der ungeheuerlichen Klimax des Kopfsatzes wünscht man sich natürlich die heutigen oder bessere damalige technisch-akustische Voraussetzungen, aber dennoch kann man sich dem nicht entziehen. Allein das berühmte gewollt platte Marschmotiv, das Bartok in seinem Orchesterkonzert karikierte, hat so viel Impetus, dass die Bedrohlichkeit hinter der simplen Fassade zwanglos offenbar wird. Jedoch wird dieses intensive Niveau erfreulicher Weise auch in den folgenden Sätzen gehalten einschließlich eines wunderbar flüssigen und doch raumgreifenden Klagegesangs im Adagio und einer grandiosen Steigerung im Finale. Neben dieser Leningrader Symphonie hat es bei mir selbst die historisch bedeutsame und gleichfalls ein Grenzerlebnis bietende amerikanische Rundfunk-Erstaufführung unter Arturo Toscanini schwer. Barschai mit dem WDR-Symphonieorchester und Mariss Jansons mit den Leningradern Philharmonikern, auch Haitink mit dem London Philharmonic sind meines Erachtens hier durchaus hörenswert und klanglich opulent. Eine klanglich fabelhafte und gestalterisch auf ihre Art gleichfalls höchst intensive, in den Tempi viel breitere Interpretation kann man in der späten Chicagoer Aufnahme Leonard Bernsteins für die DGG genießen. Neeme Järvi spielte das Werk mit dem Scottish National Orchestra hingegen überwältigend stürmisch ein.
CD 5: Symphonie Nr. 8. Unglaubliche atmosphärische Dichte im einleitenden Adagio, beängstigende Steigerungen in der Klimax dieses Satzes, hysterische Fanfaren im zweiten Satz, ein wahrlich beeindruckendes Bratschenostinato und wuchtige, unerbittliche Hiebe im dritten, fahle, düstere Lakonie im Largo, doppelbödiger Friede im finalen Allegretto. Auch diese Einspielung hat für mich Ereignischarakter und hat das Zeug, einen als Hörer fassungslos staunend noch lange nach Verklingen der letzten Takte verharren zu lassen. Meine persönliche, gleichfalls mit höchster Energie und Intensität die Wechselbäder dieses Werkes auslotende Lieblingsinterpretation ist die späte Mrawinski-Aufnahme, die es inzwischen korrekt kalibriert z. B. bei Alto gibt. Auch Sanderling bietet hier wieder eine vielleicht etwas weniger explosive, aber durchaus starke Sicht mit exzellentem Klang. Wassili Petrenko finde ich in diesem Fall ebenfalls sehr hörenswert mit diesmal viel jugendlichem Drive, auch Barschai finde ich persönlich bei der Achten beachtlich, auch wenn weder er noch Petrenko aus meiner Sicht das geradezu existentialistische Niveau Kondraschins oder Mrawinskis erreichen.
Zur auf dieser CD kompilierten Kantate "Die Sonne scheint auf unser Mutterland" Op. 90 habe ich interpretatorisch keine Meinung, das Stück selbst spricht mich spontan nicht an.
CD 6: Symphonien Nr. 9 und Nr. 10: Kennen Sie eine wirklich befriedigende Aufnahme der Nr. 9, die aufbauend auf orchestraler Präzision und Virtuosität die bitterbösen Untiefen dieses Werks auslotet? Ich kannte bislang keine, weder die alte noch gar die neue Bernstein-Version noch Haitink, Petrenko oder Barschai. Hier nun ist sie. Kondraschin verdeutlicht auch hier, zieht Grimassen, marschiert derb und grell durch die Partitur. Unvergleichlich.
Die Nr. 10 gibt es hingegen vielfach hervorragend eingespielt. Kondraschin liegt auch bei diesem Werk bei mir im vordersten Spitzenfeld, überzeugt von der düsteren Atmosphäre des Moderato mit einer phänomenalen Klimax über das Fegefeuer des Scherzos - manche Rezensenten stören hier die "kleinlich" ernst genommenen Schweller in den Streichern, ich finde sie zumal bei diesem halsbrecherischen Tempo nicht nur virtuos, sondern auch passend und die Atmosphäre verdichtend - bis zu den grellen Marschpassagen im dritten Satz und der hier durchaus erkennbar in Frage gestellten DSCH-Erlösungsfanfare. Das ist eine bei aller Kalkulation durch und durch überspringend emotionale Interpretation. Ich kann mich ihr nicht entziehen. Mehr oder weniger gleichwertig spannend und unerbittlich finde ich die ursprünglich bei Erato erschienene 1976er Aufnahme von Mrawinski, etwas westlich-distanzierter, aber auch hervorragend dicht interpretiert und auch exzellent aufgenommen die frühere Einspielung von Karajan und bei klanglich schweren Abstrichen Mitropoulos' New Yorker Aufnahme. Barschai und Petrenko, auch die jüngere Karajan-Fassung, erst recht Shipway und Rattle fallen für mich mehr oder minder ab. Sanderling bietet wieder einmal eine eigene, weniger rigorose, aber ernsthafte und überzeugende Sicht an.
CD 7: Symphonie Nr. 11: Eine weitere Extremaufnahme, die dynamisch, expressiv und in den schnellen Passagen im Tempo Grenzen ausreizt, aber beispielsweise zu Beginn des ersten, bedrohlich-düsteren Adagio auch binnendynamisch eine ungeheure atmosphärische Spannung vermittelt, eines von vielen Musterbeispielen dafür, dass bei weitem nicht nur die lärmenden Momente von Kondraschin überaus geschickt umgesetzt werden. Die beeindruckenden Klangeffekte dieses in seiner vergleichsweise eingängigen Melodik etwas aus dem Rahmen des Symphonien-Kanons von Schostakowitsch fallenden monumentalen Werks schreien eigentlich nach einer anderen technischen Umsetzung. Diese bekommt man bei DePreist, der allerdings im Vergleich zu Kondraschin fast verhalten wirkt, oder auch bei Haitink, dessen Nr. 11 ich schon immer beachtlich fand, sicher nicht zuletzt wegen des famosen DECCA-Sounds, aber auch bei sehr eindringlicher, plakativer Umsetzung zumal des Sturmgeläuts. Barschais Aufnahme ist hier ebenfalls eine hörenswerteste neue Einspielung. Besonders gelungen ist die neue, langsame, aber unheimlich dichte Aufnahme von Rostropowitsch mit dem LSO, die insbesondere im Mehrkanalformat auch klanglich in allen Belangen überzeugt.
CD 8: Symphonie Nr. 12: Mit dieser Symphonie habe (nicht nur) ich meine Probleme. Ich erkenne nichts Doppeldeutiges, außer, das gesamte Werk wäre als Karikatur angelegt. Auch Kondraschin kann mich hier bei aller Forciertheit keines Besseren belehren, was auch für die äußerlich auch beeindruckende Mrawinski-Einspielung gilt. Petrenko und Barschai bieten hier bei doch deutlich besserer Klangqualität ähnlichen Erkenntnisgewinn.
Das symphonische Gedicht Op. 119, "Die Hinrichtung des Stepan Rasin", ein Stück für groß besetztes Orchester, Bass (Vitali Gromadski) und Chor nach Texten von Jewgeni Jewtuschenko, spricht mich spontan an, man erkennt sofort die Züge des Spätwerks des Komponisten. Die Interpretation wirkt auch hier zugespitzt, kontrastreich und sehr energisch.
CD 9: Symphonie Nr. 13: Arthur Eisen, der 2008 verstorbene Bass-Solist dieser Aufnahme, hatte Charisma und fügte sich damit hervorragend in die auch hier von intensivem Ausdruckswillen geprägte Interpretation dieser Orchesterlieder auf Texte von Jewgeni Jewtuschenko ein. Zumal im ersten Satz, der Anklage des Massakers bei Babi Jar und seiner Verleugnung durch die Sowjetregierung, bauen der Dirigent der Uraufführung Kondraschin, sein Orchester, der Männerchor der Russischen Staatskapelle und Arthur Eisen eine ungeheure suggestive Spannung auf, die wieder einmal Sogwirkung hat und auch von Barschai und seinem Ensemble in seiner wieder spannenden Alternativsicht nicht erreicht wird. Äußerst spannende Alternativen bietet bei dieser Symphonie meines Erachtens Juri Temirkanow in einer alten sowjetischen Live-Aufnahme (in der Temirkanow-Box von Brilliant) und in seiner glänzend aufgenommenen Einspielung mit den St. Petersburger Philharmonikern für die RCA.
CD 10: Symphonie Nr. 14: Meine bisherige "Referenz"-Aufnahme war die Einspielung Bernard Haitinks mit Júlia Várady und Dietrich Fischer-Dieskau, die auch die Besonderheit einer polyglotten Textverwendung bei diesen Orchesterliedern über den Tod aus der Feder internationaler Dichter bietet. Kondraschins Sicht löst diese Referenz nun bei mir ab. Die Orchesterführung überzeugt mich in ihrer Unerbittlichkeit, an den gegebenen Stellen mit ihrer Rasanz, mit ihrer Suggestivität mehr, und Jewgeni Nesterenko hat eine wahrlich ungeheure Ausstrahlung, die die dann im Vergleich doch distinguiertere Präsenz Fischer-Dieskaus zumindest bei dieser Musik in den Schatten stellt. Der Unterschied zwischen Júlia Várady und Jewgenia Tselowalnik fällt weniger stark aus, bei ungefähr gleicher Stärke der Sängerinnen besticht dann aber - nehmen wir als Beispiel den zweiten Satz "Malaguena" - die einfach noch viel eindringlichere, direktere, anspringende instrumentale Leistung und lässt meine alte Referenz fast etwas farblos erscheinen. Auch Rudolf Barschai, immerhin der Uraufführungsdirigent dieser Symphonie, kann für meinen Geschmack in seiner Kölner Aufnahme nicht an Kondraschin heranreichen.
CD 11: Symphonie Nr. 15: Der Zugang zu diesem eigentümlichen, mit Zitaten gespickten biografischen Werk ist nicht leicht. Jedoch überwältigt mich auch hier Kirill Kondraschin, vor allem im zweiten Satz, diesem undurchschaubaren Adagio mit seiner schmerzverzerrten Steigerung so fern aller oberflächlichen Heiterkeit, die sich anfangs mit lichtem Schlagwerk und Rossini-Zitat anzudeuten scheint. Sanderling kommt bei mir ähnlich gut an. Auch Eugene Ormandys amerikanische Ersteinspielung von 1972 fesselt in ihrer Intensität, Differenziertheit und Klangregie bei auch außerordentlich guter klangtechnischer Umsetzung.
Hier folgt dann noch die vielleicht lohnendste Dreingabe, eine Aufnahme des Zweiten Violinkonzerts mit den Protagonisten der Uraufführung des Werkes, David Oistrach und Kirill Kondraschin. Diese Aufnahme gibt es auch in vielen anderen Ausgaben, sie ist ein unangefochtener Klassiker und sollte in keiner Schostakowitsch-Sammlung fehlen.
Sie sehen, Kondraschins Aufnahme hat mich gefangen genommen. Ich kann mir bei aller Subjektivität meiner Einschätzung - vor allem auch hinsichtlich meiner persönlichen Vergleichskandidaten - kaum vorstellen, dass ein symphonisches Schostakowitsch-Bild ohne diese Aufnahmen vollständig ist. Eine Box für die Ewigkeit, für die Insel oder wo man sonst so Schostakowitsch hört.