Verdienstvolle Ersteinspielung
Telemanns Opernschaffen steht immer noch stark im Schatten seiner Zeitgenossen Händel und Vivaldi und ist an den internationalen Opernhäusern und in den CD-Katalogen stark unterrepräsentiert. Umso erfreulicher ist es, dass nun erstmals eine ganz frühe Oper des knapp 20-jährigen Komponisten, allerdings mit einigen Erweiterungen aus späterer Zeit, auf CD vorliegt. Da die Rezitative verloren gegangen sind, wird die intrigenreiche Handlung von einem Sprecher knapp zusammengefasst, was der Geschlossenheit der Oper aber keinen Abbruch tut. Wer fürchtet, hier ein unausgegorenes oder gar langweiliges Frühwerk vorzufinden, wird sich wundern: Der junge Telemann verfügt virtuos über die gesamte Palette barocker Ausruckskunst, vom klagenden Lamento bis hin zur wutschnaubenden Koloraturgaloppade. Im Vergleich zu Händels erster deutscher Oper Almira kann man eine absolute Gleichwertigkeit von Gestaltungskraft und emotionaler Tiefe feststellen. Die Orchesterbesetzung ist mit solistischen Paaren von Travers- und Blockflöten, Oboen, Hörnern, Trompeten und Fagotten ausgesprochen farbenreich. Da einige Arien der Oper nicht mehr erhalten sind, wurden insgesamt 5 inhaltlich passende Ergänzungen aus anderen Werken vorgenommen, von denen aber merkwürdigerweise nur 2 von Telemann selbst stammen. Die anderen Arien von Melchior Hofmann und Heinichen sind zwar interessant, fallen aber hörbar aus dem stilistischen Kontext heraus.
Die Live-Aufnahme mit dem sächsischen Barockorchester unter Leitung von G. Schwarz überzeugt im instrumentalen Bereich hundertprozentig, dafür bleiben bei den Solisten in zwei (leider gewichtigen) Fällen Wünsche übrig. Countertenor M.Rexroth kämpft hörbar mit der Höhe und Elisabeth Scholl, die die mit 12 Arien größte und anspruchsvollste Partie zu bewältigen hat, enttäuscht auf ganzer Linie. Die sonst so hervorragende Sopranistin entwickelt oft ein befremdliches Vibrato und hat bei mangelnder Textverständlichkeit erhebliche Intonationsschwierigkeiten, besonders in der erschreckend eng und gequetscht wirkenden Höhe. Offenbar hatte sie keinen guten Tag, man hätte besser einige Arien im Studio neu aufgenommen oder sogar weggelassen, denn Telemann hat die schönsten Höhepunkte der Oper seiner Primadonna Agrippina zugedacht, die eine makellose Interpretin verlangt.
Insgesamt aber eine höchst verdienstvolle Edition, an der kein Liebhaber Telemanns und der Barockoper Oper vorbeikommt.