Flaue Pastete
Eins vorweg: In dem vorliegenden, 1732 auf die Bühne gebrachten Pasticcio „Catone“ findet sich keine einzige Nummer von Händel (Es gibt außer der Sinfonia, einem kurzen Marsch und einem Accompagnato nur Seccorezitative und Dacapo-Arien.) Das Stück basiert auf Leonardo Leos gleichnamiger Oper und setzt sich, neben vielen Stücken aus dessen Feder, aus Kompositionen von Vivadi, Hasse, Porpora und Vinci zusammen, also allesamt Musik, die den damals modernen galanten Stil widerspiegelt. Interessant ist es zu sehen, wie stark Händel in Teilen davon beeinflusst wurde, aber um wieviel stärker er sich bewusst davon abzusetzen verstand. Sein wohl originellster Beitrag bestand darin, die sonst fast immer von Kastraten gesungene Rolle des Cäsar einem Bassbariton anzuvertrauen. Man hört in gut zwei Stunden hauptsächlich mäßig bis rasch bewegte streicherbegleitete Arien in Dur, die sich durch die attraktiven, aber sehr vorhersehbaren typischen Schablonen des galanten Stils auszeichnen und sehr rasch emotionalen Tiefgang vermissen lassen. (Bach soll nicht umsonst Hasses Musik als „hübsche Dresdner Liederchen“ bezeichnet haben und verglich den damals aktuellen Kompositionsstil mit der schnell verschießenden Farbe des Preussisch Blau) So stellt sich auch für den zeitgenössischen Hörer sehr bald Langeweile ein und man sehnt sich nach Händels ausdrucksstarker Melodik (es gibt keine einzige wirkliche pathetische Arie!) und oft raffinierter und origineller Formgestaltung und Instrumentation. So verwundert es nicht, dass dieses Pasticcio ein Misserfolg wurde und bald abgesetzt wurde. Leider überzeugt auch die vorliegende Liveeinspielung nicht besonders, was zunächst an der problematischen, viele Details durch Halligkeit nivellierende Akustik der Ulrichs-Kirche in Halle liegt. Doch lassen auch Sänger und Instrumentalensemble, ausgenommen der fabelhaften Roberta Invernizzi, das letzte Maß an Präzision und Feuer vermissen, das bei einer Widerbelebung dieser Oper unabdingbar gewesen wäre. Schade ist ebenfalls, dass für die 1732 von Senesino gesungenen Titelpartie kein Countertenor gewonnen werden konnte, wodurch das gesamte Klangspektrum sehr frauenstimmenlastig wird. So bleibt diese Einspielung ein für den Händelkenner und musikwissenschaftlich interessierten Hörer recht interessanter Beitrag, der aber dieser künstlerisch nicht besonders überzeugenden „Pastete“ sicherlich keine dauerhafte Stellung im Konzert- oder Opernleben bescheren wird.