Schubert im Salon Fray
Der französische Pianist David Fray bringt 'flair' ins Schubertspiel.
Schon der Titel >Fantaisie< der neuen Schubert-CD mit seinem sw-schattierten Coverprofil suggeriert, misteriös ausgeleuchtet, einen von Klanghärten verschont weich klingenden und fantasievoll gespielten Schubert - oder-?
Man unterschätze die visuelle Performance und Suggestion solchen Produktdesigns und -marketings ja nur nicht.
Tja, und die CD kursiert prompt in den sog. Klassikcharts, Platte der Woche etc., und jeder will jeden übertrumpfen in der Verzückung über Frays einfühlsames Schubertspiel.
Nun, was bleibt von Schubert, bei soviel feinsinnig-geschmackvoller Annäherung-?
Die grosse G-dur-Sonate als resumierende Zäsur wie Auftakt zu Schuberts letzter Schaffensphase, prägt ein abwechslungs- und kontrastreicher Eingangssatz von (molto moderato und cantabile) hoher Komplexität und Dynamik, der lyrisch beginnt und durchaus fantastisch, nämlich dynamisch erweitert (fff) und dramatisiert weiter-
verläuft, jedoch keinesfalls so wie eine im Sinn des Verlegers betitelte Fantasie, zumal die folgenden Sätze Andante, Menuett, Allegro nicht zu ignorieren, sondern in angemessener Relation zu lesen und zu spielen sind.
Hört man, pars pro toto, das Allegretto mit Frays pianistisch untadelig flinken, leichten Anschlag, bemerkt man gleich zu Beginn die nicht artikulierte Auftaktfigur-Pause, die nicht akzentuierte Wiederholung (als formale Gliederung), die seinem molto legato wie nebenbei eingefügt ist, funktionslos in einen schön gleichförmigen wenig bewegten und bewegenden klanglichen Fluss. parlando moderato.
Der hat sicherlich nicht für den grossen Soloauftritt geschrieben, oft nur privat und auch im Wirtshaus praktiziert, aber er hat sicherlich abstrakt in grosser pianistischer Form und Gestalt (Beethoven) gedacht, und so formuliert und notiert.
Fray deutet da viel an, spielt jedoch kaum eindeutig ausdrucksvoll.
Wenn man im Vergleich nur Brendel (live) oder alternativ einen Staier hört, der das Allegretto ungemein rhythmisch und klanglich überlegen differenziert darstellt, und einen Alain Planès, französisch geschult, sie alle wissen doch mehr auszulesen und reflektierend darzustellen, von Kempff oder dem herben Stadtfeld, als junger Antipode Frays, ganz zu schweigen.
Der Musikredakteur Hans-Heinrich Raab (NDR-Prisma Musik), der u.a. auch die Klassische Wiener Sonatenform im Vergleich publizierte, beurteilte einst Frays erstes Schubertalbum (Moments Musicaux und Impromptus) als das Spiel eines selbstverliebten
Pianisten, dem bei seiner Performance die Komposition eher zweitrangig ist -
Brendel oder Kempff bieten vergleichsweise eine Lektion davon, was gemeint ist.
Schuberts letzte grosse vierhändige f-moll-Fantasie, quasi eine viersätzige späte Sonate (Allegro molto moderato-Largo-Allegro vivace-Thema con delicatezza) mit abschliessendem fugiertem Grundthema, bieten Fray und sein alter Lehrer Jaques Rouvier ebenso klanglich sensibel und pianistisch tadellos fliessend schön, so als Fantasie, jedoch ohne eine wirklich eindrucksvolle, fantastische Gestalt.
Vergleiche mit Perahia-Lupo (ein Klassiker) oder mit den forscheren, gleichwohl höchst penibel artikulierenden Richter-Britten (live) und auch Eschenbach-Frantz zeigen die formale Grösse und adäquate musikalische Ausdruckskraft, die dieser Neuaufnahme fehlt, weil
hier meist beschönigend und prätentiös das Grosse Schuberts kleingespielt wird.
Sodenn, eine klanglich leider etwas diffus-weiche, pianistisch reizvolle Klavierplatte, die nach Schubert klingt, jedoch sein musikalisches Potential als Ganzes nur unzulänglich zum Ausdruck bringt.