Wand-Bruckner-Exegese
Berücksichtigt man die auf CD vorliegenden Wand-Bruckner-Aufnahmen seit den Kölner-WDR-Jahren, der Hamburger NDR-Zeit, bis zu den später gelegentlich aufgezeichneten Münchner- wie den zuletzt produzierten Mitschnitten der letzten Berliner-Zwischenspiele, wird man kaum eklatant-qualitative Brüche, jedoch allemal formale, klang-rhythmische Akzentverschiebungen im thematischen Fluss seines Bruckner-Spiels vernehmen können.
Verspührt man in seinen analogen WDR-Produktionen so etwas wie einen energischen Explorationsmodus, gradlinig genau akzentuiert und eher forsch-stringent bei stabilen und keinesfalls überzogenen Tempi, der die thematische Gestaltung bestimmt, so wirken seine späteren digitalen NDR live-Aufzeichnungen durchweg weniger rational als mehr emotional gefiltert, stärker bedeutsam in der Feinzeichnung, mehr einer runden Klangwirkung verpflichtet. Bruckner als schier unfassbarer Meister einer quasi (religiös-)metaphysischen Musikarchitektur, die, anders als die Mozarts oder Beethovens, letztlich unerklärbar scheint.
Dieser Bruckner blieb dem eher rational-nüchtern agierenden Wand, dem alles Getue des Kulturbetriebs zuwider war, doch ein rätselhaftes Faszinosum. Die letzten Worte und somit auch letzten Fassungen Bruckners waren ihm da fast schon heilig, es gab keine Frühfassungs- resp.Original-Diskussionen und keine Komplettierungs-Experimente.
Niemals hätte Wand eine viersätzig rekonstruierte Neunte so wie heute der saloppe Rattle aufgeführt, noch den nur effektvollen Beckenschlag in der Siebenten. Wand war auf seine profunde kapellmeisterhafte Art erfreulich unbestechlich und konsequent.
Sein später Berliner Bruckner, den ich z.T. miterlebte, ist kein andrer als damals im Kölner WDR, aber er klingt anders, moderater, reflektierter und gelassener, wie von höherer, erfahren-kenntnisreicherer Warte aus.
Wir hören ein erstrangiges Orchester unter einem erstrangigen Bruckner-Dirigenten 'live' Bruckner spielen, auf klangtechnisch erstklassigem Level. Ein Berliner Philharmoniker-Bruckner-Wand-Vermächtnis.