Bücher als Obsession?
In „Das Mädchen, das in der Metro las“ von Christine Féret-Fleury begleiten wir Juliette, die jeden Tag mit der Metro zu ihrem langweiligen Job fährt. Anstatt zu lesen, beobachtet sie gerne andere Leser und hängt Tagträumen nach. Als sie eines Tages eine Haltestelle früher aussteigt verändert dies ihr Leben komplett.
***Die Magie von Büchern als Hauptthema***
In meiner alten Wohnung hat die Heizung im Wohnzimmer nicht mehr gehalten, weshalb einige Lexikonbände, die ich 13 Jahre vorher geschenkt bekommen hatte, für den Heizkörper eine tragende Rolle gespielt haben. Bis das gesamte Konstrukt irgendwann repariert wurde.
Warum erzähle ich diese Anekdote zum Einstieg in die Rezension zu „Das Mädchen, das in der Metro las“ von Christine Féret-Fleury? Weil diese Lexika für mich kaum noch Wert besaßen. Das Wissen war zum Teil veraltet, das Internet war verbreiteter, ich habe kaum noch in die Bücher geschaut. Inzwischen stehen sie im Keller.
In „Das Mädchen, das in der Metro las“ werden Bücher als etwas Magisches dargestellt, Bücher werden gehortet, weil jedes Buch einen neuen Besitzer finden kann, der es schätzt. Der Gedanke ist zwar schön, aber fern der Realität, wenn man sich mal gut frequentierte Bücherschränke anschaut, in denen beispielsweise immer wieder die selben Bücher von Konsalik und Co. zu finden sind, die auch nur verschwinden, wenn sie entsorgt werden.
„Sonntags stöberte Juliette auf Flohmärkten, denn sie empfand wortlose Pein angesichts der Kisten, in die man die ausrangierten Bücher wahllos geworfen hatte, ohne Gefühl, fast mit Abneigung. Niemand wollte sie haben. Die Leute waren gekommen, um Secondhand-Mode zu erstehen, Nippes aus den Siebziegerjahren oder funktionierende Haushaltsgeräte. Mit den Büchern konnten sie nichts anfangen. Und so kaufte Juliette sie auf, füllte ihre Bude mit Bändern aus unterschiedlichen Reihen, mit Kochbüchern, Bastelbüchern und erotischen Krimis, die sie eigentlich nicht mochte, nur um sie mal in der Hand zu halten und ihnen ein bisschen von ihrer Aufmerksamkeit zu schenken.“ (S. 75)
Die Protagonistin sammelt also Bücher, an denen Sie selbst kein Interesse hat. Das ist für mich nicht magisch oder bibliophil, sondern hat für mich messihafte Tendenzen. Auch andere Aussagen im Buch fand ich eher fragwürdig:
„Lesen war etwas Intimes und Wertvolles […]“ (S. 110)
Man muss das Lesen nicht glorifizieren. Lesen kann Intim und Wertvoll sein, ist es aber nicht per se.
„Sie wollen damit sagen, dass … ich sie alle lesen soll? Alle?“ (S. 112)
Man muss und kann nicht alle Bücher kennen. Man muss primär für sich eine Auswahl treffen und aus der Masse an Büchern die Bücher rausssuchen, die einen interessieren und „weiterbringen“.
Auch das Buch-Namedropping – also einfach irgendwelche Buchtitel in den Raum werfen – fand ich ziemlich nervig. Ich möchte behaupten, dass auch jemand, der belesener ist als ich, nicht alle im Buch genannten Bücher gelesen haben kann. Wenn die Autorin damit bezwecken wollte, dass man neugierig auf das jeweilige Buch wird, ist ihr dies zumindest nicht geglückt. Warum nicht dann die Protagonisten darüber sprechen lassen? Man hätte durch eine Auseinandersetzung zu den Werken auch Interesse für diese wecken können.
***Bücher als Obsession?***
Scheinbar leben und lebten alle Protagonisten im Buch von Luft und Buchliebe. Die Protagonistin Juliette kündigt ihren Job, um ihre Leidenschaft – das richtige Buch an den richtigen Menschen zu bringen – ausleben zu können. An einer Stelle wird gesagt, dass sie sich ihre Wohnung leisten kann, weil Sie von ihrer Großmutter geerbt hat. Die anderen Figuren im Buch haben jedoch nicht dieses Glück.
Ob wohl das Buch nur 170 Seiten lang ist, habe ich mich sehr durchquälen müssen und mehrmals überlegt es abzubrechen. Warum ich nicht abgebrochen habe war die große Hoffnung, dass noch irgendwas passiert, was mir dieses Buch doch noch lesenswert macht. Leider ist das nicht passiert.
Die eigentliche Aussage, über den Tellerrand zu schauen, seinen tristen Alltag aufzugeben und das tun, für das man brennt, verliert sich leider und kommt nicht so kraftvoll daher, wie es sich die Autorin vielleicht erhofft hatte.
***Fazit***
Auf diesen Titel hatte ich mich seit den Vorschauen sehr gefreut. Sprachlich ist das Buch sehr schön, weshalb mich auch die Leseprobe überzeugt hatte. Der Grundgedanke „das richtige Buch für den richtigen Leser“ gefällt mir im Ansatz auch ganz gut. Leider hat sich „Das Mädchen, das in der Metro las“ zu meinen Lese-Enttäuschungen 2018 entwickelt. Ich kann das Buch leider niemandem empfehlen, da es viel zu viele Bücher gibt, denen man seine Zeit eher schenken sollte.