Eine Hommage an die Literatur – leider mit unausgegorener Handlung
Das wunderschöne Cover dieses Buches hat mich gleich angesprochen. Es zeigt Bücher über Bücher und illustriert den Romaninhalt damit ganz wunderbar. „Das Mädchen, das in der Metro las“ ist Protagonistin Juliette. Sie liest vor allem morgens und abends, auf dem Hin- und Rückweg zu ihrer sie langweilenden Arbeit in einem Maklerbüro. Außerdem beobachtet sie die anderen pendelnden Leser und ihre Bücher und macht einige skurrile Beobachtungen. Insgesamt führt sie ein ruhiges, ereignisloses Leben – ein Leben, wie es sich ihre Mutter immer für sie gewünscht hat: ohne größere Probleme, Sorgen, Aufregungen. Dass es zu einer radikalen Veränderung ihres Lebens führt, als sie einmal spontan beschließt, ein paar Stationen früher aus der Metro auszusteigen und einen kleinen Spaziergang zu machen, ist dann auch am wenigsten für Juliette selbst abzusehen. Doch als sie den Antiquariats-ähnlichen Laden „Bücher ohne Grenzen“ bemerkt und betritt, kommen Ereignisse ins Rollen, die Hauptfigur und Leser gleichermaßen überraschen.
Ich möchte diese Ereignisse nicht vorwegnehmen – bei einem nur 174 Seiten umfassenden Buch ist sonst schnell der halbe Roman erzählt. Nur so viel: Es geht immer wieder um Bücher, Autorin Christine Féret-Fleury betreibt ein richtiggehendes Literatur-Namedropping. Immer wieder wird thematisiert, dass das richtige Buch zur richtigen Zeit durchaus etwas bewirken und ein Leben verändern kann. Trotz aller Bibliophilie bleibt jedoch nicht unerwähnt, dass Lesen kein Ersatz für leben ist – Bücher können ein Leben bereichern, aber wer über das Lesen sein Leben vergisst, verpasst ebenfalls etwas. Protagonistin Juliette erfährt all das am eigenen Leib. Die Häufung dieser Ereignisse gerade gegen Romanende hat mich dabei sehr überrascht; ich bin mir immer noch nicht ganz klar darüber, was ich nun eigentlich davon halte. „Das Mädchen, das in der Metro las“ hat stellenweise etwas Zauberhaftes, das mich an „Die fabelhafte Welt der Amélie“ erinnerte. Andere Elemente wollten nicht so recht zu dieser märchenhaften Stimmung passen, wie der Leser wird auch „Das Mädchen, das in der Metro las“ schmerzhaft in die Realität zurückgeholt. Und das Romanende ist eigentlich wieder ein Anfang, dem dann auch noch eine Bücherliste folgt, die schon ein halber Klassikerkanon ist. Puh!
Der träumerische Grundton zu Beginn des Buches verliert sich über die Langstrecke zwar, aber dass am Ende dann alles so schnell ging – so ganz kam ich da doch nicht mit. Vielleicht wollte Autorin Féret-Fleury hier zu viel auf zu wenig Seiten erreichen. Die Autorin hat lange als Verlagslektorin gearbeitet und bringt ihre Liebe zu Büchern auf vielfache Weise zum Ausdruck, aber ihrer eigentlichen Handlung hätte sie für meinen Geschmack mehr Seiten einräumen sollen.
Was bleibt, ist das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. „Das Mädchen, das in der Metro las“ ist kein schlechtes Buch, scheint aber inhaltlich nicht komplett ausgegoren. Eine gelungene Hommage an die Literatur, aber als Roman nicht komplett überzeugend. Vielleicht hätte mich das wunderschöne Cover doch vorwarnen sollen?