Die ganz große Ausnahme unter den Rilke-Rezitationen
Oskar Werner ist Schauspieler. Das merkt man. Er geht emotional rein, empfindet, was er sagt, und man spürt: Es ist zwar Rilkes, aber auch seins, sein eigenes Erleben. Die Stimme weich, empfindsam, wo es um inneres Empfinden geht; empört, wenn es um Empörung geht. Dabei verwechselt er ein Gedicht nie mit einem Drama, mit einer Bühne, er produziert sich nicht, stellt nichts dar. Mehr als alle Rezitatoren, die ich gehört habe, versteht Oskar Werner von dem, was man klanglich, metrisch "ein Gedicht" nennt, und er nivelliert es auch nicht herunter zu einer irgendwie gestelzt daherkommenden Prosa. Oskar Werners Rilke zuhören, ist für mich: Rilke zuhören, und, nachhaltig betroffen: vor b e i d e n den Hut ziehen.
Bin als passionierte Rilke-Leserin mit all dem, was Oskar Werner hier vorträgt, durchaus und gründlich vertraut; aber i h m zuzuhören, ist jedes Mal noch eine andere Art der "Erhellung". Wer Ohren hat zu hören, der höre, lasse sich berühren, erleuchten von dem, was i s t und immer sein wird: jetzt oder damals, in uns selbst oder um uns herum. Und wem beim Zuhören der Kaffee kalt wird, der extra für die session frisch gekochte: Der weiß, was kalter Kaffee ist und was nicht, und sei er auch noch so - vermeintlich - "abgestanden".