Das soll es etwa doch noch nicht gewesen sein?
"Mit den beiden folgenden Ouvertüren-Suiten schließt die Wallfisch Band die Gesamteinspielung der sieben überlieferten Concertouverturen Telemanns für Solo-Violine, Streicher und Generalbass ab." So steht es geschrieben im Begleittext, und ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Denn vielmehr sind es ihrer neun, und unterschlagen werden hier ausgerechnet die beiden schönsten Exemplare der gesamten Gattung, die Ouvertüren TWV 55:A4 und A8, auf die sich nicht nur cpo und Frau Wallfisch, sondern eigentlich alle Barockgeiger leidenschaftlich stürzen müßten. Nur, wer kümmert sich um Telemanns Orchestersuiten? Daß diese Werke schlicht vergessen wurden, kommt mir angesichts der enormen Label-Kompetenz äußerst unwahrscheinlich vor; was aber könnte sonst wohl je dahinterstecken? Ich hoffe nur, man geht noch einmal in sich - komplett, das bedeutete bei cpo bisher stets komplett, und wenn man sich nicht einmal darauf noch verlassen kann, worauf bitte dann...? -- Die vorliegende, sechste Folge mit Telemanns Violinkonzerten enthält neben zwei nicht mehr völlig unbekannten Werken in Moll auch zwei äußerst erfreuliche Ersteinspielungen: Ein kurzes, frisches, elegantes B-Dur-Konzert und, vor allem, eine sehr groß angelegte konzertante Ouvertürensuite in F (hier irreführend als "Concerto" deklariert), genialisch wirbelnd, energiegeladen, voll hinreißender Melodik und von originellen Einfällen geradezu berstend - wieder einmal eine reife Meisterleistung des erstaunlichsten Vielschreibers aller Zeiten. Elizabeth Wallfisch und ihre Band überzeugen mich vollkommen, die Besetzungsgröße entspricht diesen Werken ideal, und trotz aller Klangschönheit wirken die Aufnahmen dennoch nicht zu glatt, ohne daß man wiederum ins heutzutage so beliebte, übertrieben Ruppige verfällt. Lediglich die h-moll-Ouvertüre (TWV 55:h4) erlebe ich in der superben Interpretation von Musica Alta Ripa als (noch) beeindruckender. -- Man darf gespannt sein, wie es weitergeht, nicht nur im Hinblick auf diese exquisite kleine Reihe - da schlummern im Verborgenen noch Dutzende der herrlichsten Orchesterwerke, die entweder noch überhaupt nicht, oder nur in unzureichender Qualität auf Tonträger gebannt wurden. Cpo, ja welches Label denn für Telemann auch sonst? Bitte, liebe Georgsmarienhütter, bleibt emsig und enttäuscht uns nicht!