Die Kraft der Musik gegen die Einsamkeit
Nur wenige Monate vor seinem 40. Geburtstag erscheint bei Diogenes der bereits fünfte Roman des Autors und Journalisten Takis Würger.
Und wieder wird der Leser sofort hineingenommen in eine Geschichte mit ihrem unvergleichlichen Sprachfluss, aus der es kein Entkommen gibt.
Und man will dies auch gar nicht, zu fesselnd ist bereits die Begegnung der beiden Frauen Fritzi und Güneş, die sich im Krankenhaus Siloah nach der Geburt ihrer Kinder kennenlernen und anfreunden.
Als es der wunderbaren Fritzi auf unnachahmliche Art und und Weise gelingt, den vordergründig wunderlichen Heinrich Hildebrand zu überreden, mit ihrem Kind in seine Villa in der Moorlandschaft einziehen zu dürfen, kommen auch Güneş und ihre Tochter Polina immer öfter zu Besuch.
Und dies berührt auch das introvertierte Kind von Fritzi, den schweigsamen Hannes Prager, der eher beobachtet und kaum spricht.
Die so unterschiedlichen Kinder spielen zusammen in der schwefeldurchtränkten Moorlandschaft, sie lachen und weinen miteinander.
Während Polina, das aufgeweckte Mädchen, Fragen zu Leben und Tod stellt, lauscht Hannes dem Klang der Stimmen nach und schläft nur zu Chopins 1. Klavierkonzert ein.
Und so wird der Zufluchtsort von Hannes allmählich das verstimmte Klavier in der Moorvilla, während Polina unfreiwillig für längere Zeit in Instanbul heranwächst.
Nach der Rückkehr von Güneş und Polina brechen die letzten Tage der Unschuld an und Hannes spürt langsam aber zuverlässig eine tief in seinem Inneren verwurzelte Verbundenheit zu seiner Freundin seit Kindestagen.
Doch das Leben hält andere Prüfungen für die beiden bereit, zwar treffen sich beide Heranwachsende wieder, lachen und schlafen miteinander und doch kappt die räumliche Trennung und eine aus der Not geborene Lüge letztlich ihr inniges Verhältnis.
Nun begleiten wir Hannes durch die Jugendlichkeit seines Lebens, das Arbeitsleben hinterlässt körperliche Spuren, doch es gibt neben einem wunderlichen Chef auch einen Freund an seiner Seite, dessen Unerschütterlichkeit in besten Sinne des Wortes zum Überleben von Hannes beiträgt.
Es ist ein abenteuerlicher Weg, den der junge Mann einschlägt, obschon aus dessen Sicht gar nicht so viel passiert, er hat das Glück, mit einer Frau zusammen zu wohnen, die seine Eigenheiten nebst seiner ausgefallene Tätigkeit akzeptiert, auch seine Verbindung zum alten Hildebrandt reisst nicht ab, doch auch dieser hat die Spur zu Polina verloren.
Mag auch die eine oder andere Person im Roman - wie etwa der Vater von Hannes - etwas holzschnittartig wirken, stört dies den Fluss der Erzählung in keiner Weise.
Denn der Autor bleibt immer bei seiner Figur und zieht den Leser in einen Sog, dem sich keiner entziehen kann.
Klar, dass die Schönheit und Kraft der Musik eine herausragende Rolle spielt (auch Igor Levit kommt an einer Stelle vor und eine zum Schaudern strenge lettische Klavierlehrerin) und zum Innehalten (damit das Buch nicht so schnell zu Ende geht) empfiehlt es sich nachdrücklich, wieder einmal Chopin zu hören.
Ob die Geschichte vielleicht doch gut ausgeht, oder das Leben in seiner ganzen Vielfalt dem geläuterten Protagonisten erneut einen Streich spielt, wird der Leser selbst herausfinden.
Es erwarten ihn dabei Staunen, Lachen und Weinen, Freundschaft und Einsamkeit, Mitgefühl, sehnsüchtige und unerwiderte Liebe, Verlust und Trauer, schlichtweg alles, was das Leben bereithält und dies ist in Zeiten des aktuellen Lärms der Welt eine überbordernde Menge an gelungener Unterhaltung.
Ganz deutliche Leseempfehlung !!