Wunderbare Hommage an eine faszinierende Persönlichkeit
(Rezension by Furbaby_Mom)
Der Name Guggenheim ist den meisten von uns gewiss ein Begriff, ebenso dessen Assoziation mit der Kunstwelt. Aber wer war Peggy Guggenheim wirklich, was machte ihre Persönlichkeit aus? Ich muss gestehen, dass ich bisher nahezu nichts über jene Kunstsammlerin, Mäzenin und Autodidaktin wusste, die ausgefallene Sonnenbrillen sammelte und als Rebellin ihrer Zeit galt. Tatsächlich verdanken viele Menschen dieser außergewöhnlichen Frau ihr Leben, da sie es war, die ihnen während des Zweiten Weltkrieges eine Flucht aus Europa ermöglicht hatte.
Zu Beginn der Handlung, im Dezember 1937, steht Peggy - bereits geschieden und Mutter zweier Kinder - kurz vor einem neuen Lebensabschnitt. Dank einer Erbschaft ist die Amerikanerin jüdischer Abstammung finanziell abgesichert, als sie sich entschließt, ihre Wahlheimat Paris zu verlassen, um sich in London den Traum einer eigenen Galerie zu erfüllen. Zur Eröffnung wird sie Werke von Jean Cocteau ausstellen, die alles andere als jene traditionelle Kunst sind, an welche die Londoner gewöhnt sind – ein Skandal! Die Aufmerksamkeit der Presse ist Peggy somit gewiss, doch der finanzielle Erfolg der Galerie Guggenheim Jeune bleibt aus - auch als sie später Wassily Kadinsky seine erste Ausstellung in England ermöglicht oder den unkonventionellen Schritt wagt, Bilder von Kindern auszustellen. In Folge dessen beschließt die ambitionierte junge Frau, ein eigenes Museum für moderne Kunst zu gründen; sie möchte Kunst einer breiteren Masse der Bevölkerung zugänglich machen, nicht nur der gehobenen Gesellschaftsschicht.
"Es musste endlich Schluss sein mit dieser elitären Kunstauffassung und dem kleinen abgeschlossenen Kunstzirkel. Kunst war für jeden da. Für jeden."
Doch dann bricht der Zweite Weltkrieg aus, der nicht nur Peggys Museumspläne im Keim zu ersticken droht, sondern für viele Künstler, deren Werke von den Nationalsozialisten als 'Entartete Kunst' eingestuft werden, zur tödlichen Gefahr wird…
Bereits nach wenigen Zeilen hatte mich der einladende, geradezu poetisch schöne Schreibstil der Autorin vollkommen gefesselt, mit dem sie ein verführerisches Bild der Künstlerszene im Paris der 1930er Jahre zeichnet. Auch der starke Kontrast zum weniger charmanten, hektischen London unterstreicht Peggys Bindung an das reizvolle Paris, dem sie sich so verbunden fühlt. Die Schauplätze des Romans, von denen Sophie Villard viele zu Recherchezwecken eigens bereist hat, werden so bildhaft und atmosphärisch beschrieben, dass man mühelos in Peggys (Kunst-)Welt und die dramatischen Ereignisse der Handlung eintauchen kann. Man spürt in jeder Zeile, dass die Autorin für die Thematik brennt; umso schöner ist es, dass es ihr gelungen ist, Peggy Guggenheim ein würdiges literarisches Denkmal zu setzen.
Im Laufe der Geschichte begegnen wir zahlreichen namenhaften Künstlern – z.B. Peggys guten Freunden James Joyce samt Gattin, dem legendären Marcel Duchamp (der sie tatkräftig bei ihren Plänen unterstützt) und seiner politisch interessierten Partnerin Mary Reynolds (die sich der Résistance anschließen wird). Peggy ist hingerissen vom tiefgründigen irischen Schriftsteller Samuel Beckett, der sich allerdings letztlich für eine andere Frau entscheidet; eine Schmach, an der Peggy einige Zeit zu knabbern hat.
Auch ihr Techtelmechtel mit dem (verheirateten) Maler Yves Tanguy steht unter keinem guten Stern. Wird sie mit Max Ernst, diesem "eigenartigen deutschen Künstler" mit den eisblauen Augen, endlich ihr Glück finden? Als dieser in Frankreich interniert wird, sieht es vorerst nicht danach aus…
Im Grunde möchte Peggy sich voll und ganz auf ihre Karriere konzentrieren, sich einen eigenen Namen in der Kunstwelt machen. Dennoch zieht es sie immer wieder zu den Männern und sie verliert ein ums andere Mal ihr Herz. Hinter ihrer selbstbewussten, scheinbar unerschütterlichen, gegenüber Kritikern störrischen Fassade steckt eine sensible Frau, die sich nach wahrer Liebe sehnt statt nach Halbherzigkeiten; sie ist nicht bereit, ihre wagemutigen Träume und ihre Vorstellung von einem eigenbestimmten Leben aufzugeben. Der Autorin gelingt es mühelos, sowohl Peggys unerschrockenes Wesen als auch ihre verletzliche Seite aufzuzeigen in einem Werk, das gespickt ist mit interessanten Hintergrundinformationen zum Leben dieser schillernden Persönlichkeit und der Guggenheim-Familie: von Peggys missglückter Nasen-OP über den Tod ihres Vaters (der beim Untergang der Titanic ertrank), bis hin zur Familientragödie ihrer Schwester Hazel. Im Nachwort gibt zudem ein umfangreiches Verzeichnis Aufschluss über die weitere Entwicklung der im Buch vorkommenden realen Personen, wie beispielsweise den für das Rettungskomitee verantwortlichen Varian Fry.
Fazit: Dieser anspruchsvolle Roman, der in drei Abschnitte unterteilt ist und den Bogen vom Paris des Jahres 1937 bis in die USA des Jahres 1942 spannt, ist ein Muss für jeden Kunst-Liebhaber!
">>Träumen ist das Wichtigste im Leben, finden Sie nicht?<< […] Sie nickte so heftig, dass ihr Ohrgehänge schaukelte. >>In der Tat. Ohne Träume sind wir doch tot.<<"